Der Implex
das Naturrechtsideal einholt, solange also, hätten Marx und Engels auf dem Stand der Abfassung der Deutschen Ideologie und der Feuerbachthesen gesagt, die allgemeinsten Ideen der Freiheit nicht gesellschaftlich verwirklicht sind, die mittels ihrer interpretierte Welt nicht nach ihrem Bilde verändert ist. Abstimmungsgrundlagen einfach zu behaupten, wie sich das die philosophes häufiger einfallen ließen, um endlich einmal weiter zu kommen als die Alten, ist natürlich eleganter, als auch sie noch (wie später die Abstimmungen selbst) erarbeiten zu müssen; meistens gehen die Dinge aber in Interpenetrationen vor, und die Theorien des Sozialismus und Kommunismus sind vom wirklichen Prozeß der Durchsetzung dieser Abstimmungsgrundlagen nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch nicht kategorial zu trennen (wenn auch leicht zu unterscheiden: Etwas, das zusammengehört, kann durchaus zwei oder mehr Seiten haben, sie gehören eben bloß, tautologischerweise, zusammen), sowenig wie die berühmten analytischen von den berühmten synthetischen Wahrheiten.
III.
Conceptual Engineering
Der gleichwohl verdienstvolle, viele Erkenntnisse und Wahrheiten zutage fördernde Versuch, analytische von synthetischen Wahrheiten zu trennen – in der jüngeren Philosophiegeschichte wirkungsvoll von W.V.O. Quine und später Donald Davidson als eines der wichtigsten und kritikwürdigsten »Dogmen« des Empirismus angegriffen; der Rationalismus allerdings hat dazu Komplementärformen, die allerdings schwerer zu entdecken sind und sich vor allem um den Begriff des Zwingenden am Schließen gruppieren –, ist nicht einfach ein Irrtum, als den ihn die analytische und postanalytische Philosophie der englischsprechenden Staaten aus gewissen inneren Gründen, nämlich wegen ihrer Affinität zum Falsifikationismus in der Wissenschaftstheorie, hat behandeln müssen. Es handelt sich dabei vielmehr um im schönsten marxistischen Sinn notwendig falsches Bewußtsein, und zwar um das aufgrund der Tatsache, daß man aus einer Tautologie nichts Belangvolles schließen kann, zum Scheitern versuchte Beginnen, eine innerphilosophische Begründung für die Philosophieautonomie nach Ausdifferenzierung der modernen Wissenschaften (von der Natur wie, schließlich, der Gesellschaft) zu erfinden, bei der die Geschäftsgrundlage des ganzen, die gesellschaftliche Trennung von Hand- und Kopfarbeit, nicht in Frage gestellt werden darf, weil dann 1. wieder die Grenzen zu den Wissenschaften verschmieren, die sofort in die Technik kollabiert, 2. ein sozialer Selbstrechtfertigungszwang entstünde, der jedenfalls nicht kommoder ist als der logische, dem man mit dem Unternehmen der Analytisch/synthetisch-Unterscheidung zuallererst begegnen wollte, und 3. dieser soziale Selbstrechtfertigungszwang schließlich die ganze Gesellschaftsordnung selbst zur Disposition stellen könnte, da nur die weiträumige Umfahrung solcher Rechtfertigungen die Thematisierung der Mehrproduktangelegenheit verhindert – es ist wie bei der Geschichte von der Entstehung des neurotischen Symptoms, die Freud erzählt (unabhängig davon, ob die nun stimmt): Zuerst hat der kleine Hans Angst vor dem Penis, dann vor allen männlichen Tieren, dann vor allen Tieren überhaupt, und schließlich ist der Leidensdruck, den die Verstandeslähmung auslöst, so groß, daß das Verdrängte im Verdrängenden wiederkehrt, etwa in Gestalt von Quine, der plötzlich an der Unterscheidung analytisch/synthetisch Zweifel anmeldet (denen dann aber wieder Grice und Strawson mit einer Verteidigung der Distinktion begegnen, denn natürlich hat das Symptom sein Wahres, siehe oben).
Dem überkommenen Sprachspiel zufolge, zu dem sie gehören, bezeichnen die beiden Etiketten Dinge wie »Alle Bräutigame sind Männer« (analytisch: logisch wahr, definitorisch wahr, letztinstanzlich also: wahr, weil so definiert, konventionell wahr) und »Gestern hat es geregnet« (synthetisch: empirisch wahr). Das geht, wenn man es restlos sauber (statt etwa probabilistisch) handhaben will, nicht auf, weil die Feststellung der Beobachtung des Regens in einem Wort-, Begriffs- und Definitionsnetz erfolgen muß, dessen logisch-semantische Ausdehnung nicht geringer ist als die des gesamten Sprachgefüges, in dem sie erfolgt, und weil umgekehrt in der analytischen, scheinbar nur aus Definitorischem gewonnenen Wahrheit eine Riesenmenge Weltwissen steckt, das, explizierte man es, in lange Erzählungen voller Beobachtungspropositionen würde
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