Der Implex
ausgewickelt werden müssen. Die analytischen und die synthetischen Wahrheiten durchdringen einander in Implexrelationen, sie werden ja überhaupt so hergestellt, wie Grice gezeigt hat, der die ganze Wahrheitenproduktion an Maximen der sozialen Interaktion eichte (und dennoch an die Unterscheidung analytisch/synthetisch glaubte, als nützliches Instrument nämlich, jeweils zu bestimmen, wo man nachsehen sollte, wenn man es mit einer Äußerung zu tun bekommt, die man nicht ganz versteht – draußen auf der Straße (Regen) oder bei Wikipedia; die fuzziness der Sache bleibt ja erhalten (ich kann auch draußen nachgucken, wer die Demonstranten sind, über die etwas im Lexikon steht; ich kann auch im Lehrbuch nachlesen, wann es geregnet hat – das Ganze ist eben eine Wahrscheinlichkeitsfrage; der kürzeste, eleganteste Weg einer Wahrheitsüberprüfung liegt nicht in der Beschaffenheit der jeweiligen Wahrheit, sondern der Natur der Situation der Überprüfung selbst) – witzigerweise allerdings war Grice, als er die in Studies in the way of words versammelten Texte schrieb, gar nicht der Meinung, eine Theorie der Wahrheiten und ihrer Falsifikations- oder Plausibilisierungsverfahren zu liefern, sondern eine der Bedeutungen in der Kommunikation, die aber beispielsweise vor der Habermasschen voraushat, daß sie sich nicht festlegt auf Teleologisches wie »Der Zweck der Kommunikation ist die Herstellung von Übereinkünften«, weil da Unterscheidungen erzwungen würden, die das ganze Modell wieder zu rationalistischer oder empiristischer Einseitigkeit verurteilen würden, statt daß anerkannt würde, daß man beim Begriff »Kommunikation« wie bei allen obersten Kategorien der Beschreibung sozialer und anderer Welten nicht genügend (das wären erst: alle) Beobachtungen gemacht hat, um diesen Begriff fernerer Neubestimmung zuverlässig zu entrücken. Habermas macht mit seiner Kommunikationsbestimmung, was die Aufklärung mit der Vernunftbestimmung gemacht hat: Er versucht, sie abzuschließen, und verliert so ein Gutteil Welt, ja, geschichtlich zunehmend mehr. Er glaubt an die herrschaftsfreie Verständigung wie die Aufklärer an den Gesellschaftsvertrag, als an eine Naturbedingung, ein » cooperative principle «, statt eine je und je gegebene oder abwesende kooperative Wirklichkeit, Praxis – im Gegensatz dazu weiß Grice:
»Since, to assume the presence of a conversational implicature, we have to assume that at least the Cooperative Principle is being observed, and since it is possible to opt out of the observation of this principle, it follows that a generalized conversational implicature can be canceled in a particular case. It may be explicitly canceled, by the addition of a clause that states or implies that the speaker has opted out, or it may be contextually canceled, if the form of utterance that usually carries it is used in a context that makes it clear that the speaker has opted out. (…) Since the truth of a conversational implicatum is not required by the truth of what is said (what is said may be true – what is implicated may be false), the implicature is not carried by what is said, but only by the saying of what is said, or by ›putting it that way‹« 218 ,
womit gemeint ist, daß jemand, der sagt: »Die Grundstückspreise fallen, wenn Türken in die Gegend ziehen«, zwar die Wahrheit feststellt, aber in der Art, wie er es sagt, eine schweinische Unwahrheit implizieren kann, nämlich die Türken seien minderwertige Menschen.
Wir wiederholen: Das ist keine Theorie der Wahrheiten und ihrer Falsifikations- oder Plausibilisierungsverfahren, sondern eine der Bedeutungen in der Kommunikation, die Pointe aber ist für uns, daß man eben keinen absoluten Dualismus bauen kann, der zwischen der Art, wie wir rausfinden, was jemand anderer uns sagen will, und der Art, wie wir rausfinden, was los ist, kategorial unterscheiden hieße.
Wir behandeln daher in diesem Buch implizit Bedeutungstheorien wie die von Grice, Davidson oder Brandom, soweit wir sie richtig finden, als Sonderfälle von Theorien über das Herausfinden des nicht Offensichtlichen (ein anderer Sonderfall dieses Herausfindens wären alle sogenannten »Erkenntnistheorien«), wobei unsere Zentralkategorie dann eben nicht die Widerspiegelung, sondern das Hervorbringen (lateinisch: die Produktion) ist, oder in geschwollenem Heideggerdeutsch: die Entbergung. Daß das Hervorzubringende in einem nichttrivialen Sinn bereits da ist, bevor es
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