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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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das dann allerdings auch tun, hängt wieder stark von ihnen ab). Schopenhauers gesalzene Invektiven gegen Schulphilosophie und für Weltphilosophie blamieren sich an ihrem eigentlichen Anlaß, an Hegel, denn wenn irgendeine Leistung den Namen »Weltphilosophie« verdient, dann die des Neidfeinds des Autors der Welt als Wille und Vorstellung . Seine Wut auf den Lehrstuhlprofi ist wie die der Kritischen Theorie auf die Kulturindustrie auf Handwerker- und Kleinproduzentenstufe verhärtete Biedermeiereien (so was gibt es auch links); allerdings besitzt er (wie Horkheimer und Adorno) genug Genie, bei dieser Wut nicht stehenzubleiben, er verbrennt sie in kritischen Leistungen, welche die sachliche Blamage abfedern, wo nicht auswetzen (daß Schopenhauer brillanter dachte als dreitausend Professoren der Epoche, gibt ihm aber auch nicht einfach recht; er war ja Rentier, das heißt, er genoß die Vorteile der Verbeamtung ohne deren Nachteile, und diese Option war zu keiner Zeit weit genug verbreitet, auch nur die »normale Wissenschaft« sicherzustellen, aus deren Boden, Dünger und Fermenten die revolutionäre allein sich erheben kann).
VII.
Lob des Zungenredens; Warnung vor der Geschichte
    Die Produktionsverhältnisse des Begriffsingenieurswesens hinken den Produktivkräften, die es freisetzt, also nicht nur hinterher, sondern nehmen deren neue Konfigurationen auch vorweg. In Zeiten eingeschränkter, verkümmerter und verkommener öffentlicher Freiheiten, in denen der »zynische Untertan« (Žižek) vorherrscht, in denen also die Leute den schlimmsten Unsinn glauben, den es gibt, nämlich daß wirklich alles so sei, ja so sein müsse, wie es zu sein scheint, und diesen Wahn auch noch modern (oder, noch abstruser, postmodern) finden (sollen), kann plötzlich das unmittelbare Reflexdenken, etwa die blöde Begeisterung für allerlei Netzbegrifflichkeiten zur Beschreibung des Sozialen von den avanciertesten Soziologen bis zum letzten Motivationsseminar für Computersklaven, je nach Lage und Interesse der an solchem Gerede Beteiligten auch wieder in Fortschrittliches umschlagen, etwa in die Einsicht, daß es Gesellschaftliches jedenfalls wirklich gibt – die ist ja keineswegs so selbstverständlich, wie sie aussieht, und manchmal sprechen rechte Liberale unvorsichtigerweise wirklich aus, daß die Maxime ihres Willens die von Margaret Thatcher bündig genug zusammengefaßte Losung »There is no such thing as society« ist.
     
    Moden wie die Blüte von allerlei Neo-, Retro- und Quasimarxismus im Mondhof der bleichen Finanzkrise seit 2009 fördert, wenn man nur zu filtern weiß, ebensoviel Brauchbares zutage (und hat uns die Arbeit an diesem Buch wesentlich miterleichtert, das schon Jahre zuvor in allerlei Planungszuständen schmorte, während jetzt plötzlich ein Interesse an dieser Art Denken und Reden gegeben war, das uns Gelegenheit gab, einige hier vertretene Gedanken in den unterschiedlichsten Milieus auszuprobieren und zu diskutieren) wie etwa linguistic turn, pragmatic turn, iconic turn und andere begriffskonjunkturelle Turnübungen; was da aufschäumt, wollen wir nicht werten, aber getrost »Zungenreden« nennen, womit ein Zustand bezeichnet werden soll, in dem die vormaligen Molekülketten, in welchen Begriffsatome (deren Unteilbarkeit nicht selten scheinhaft ist) sich befanden, zerbrechen und einem vom Tanz der dabei freigesetzten Bruchstücke mitunter schwindelig werden will: Wer wußte damals, wer wird überhaupt je wissen, wovon Giordano Bruno redete oder was frankophile Epistimo-Impressionisten heute, spätantike Mysteriendenker, englische Idealisten des späten neunzehnten Jahrhunderts eigentlich wollten?
    Philosophische Richtungen und selbst ihre hervorragenden Vertreter können verschwinden, als hätte es sie nie gegeben; was man in zweihundert Jahren von der sprachlogistischen Analysis oder dem Poststrukturalismus wissen wird, ahnen wir nicht, aber daß wir Bruno so schwer verstehen, liegt eben daran, daß im sechzehnten Jahrhundert für die Aufklärung, die werden wollte, noch kein Vokabular bereitstand und zu seiner Erfindung eine Weile gestammelt werden mußte, während bei den Poststrukturalisten oder der eklektizistischen Spätantike ein Vokabular gerade zerbröselte (das des Strukturalismus oder der Antike nämlich) und bei den englischen Idealisten beides vorlag (die traditionell englische religiöse Denkart zerbröselte, die Analysis war noch nicht gefunden).
     
    Übergänge von gesellschaftlich stabil

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