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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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allerotopietischste Tierchen oder Pflänzchen stirbt, wenn man dem Planeten Erde die Sonnenlichtzufuhr abschneidet (und sie mag über Variablen und Invarianten der Energie- und Informationsaustauschformen von Systemen in Umwelten Klügstes denken, wenn sie sich vom Disjunktivismus zur Spekulation über die Frage anregen läßt, ob ein Organismus im Sonnenlicht derselbe wie unter einer UV-Lampe ist).
    So betrachtet – aber glücklicherweise: nur so – hat Husserl also ganz recht, wenn er in seinem riskantesten Text Philosophie als strenge Wissenschaft den nur scheinbar extrem eklektizistischen Satz aufstellt: »Dem wahrhaft Vorurteilslosen ist es gleichgültig, ob eine Feststellung von Kant oder Thomas von Aquino, ob sie von Darwin oder von Aristoteles, von Helmholtz oder Paracelsus herstamme.« 222
    Seine Begründung jedoch, dies verhalte sich so, weil die Philosophie nun mal an die Wurzeln der Dinge greife, und das auch noch mittels »direkter Erfassungen«, »direkter Intuition«, also ohne Experiment, Philologie, Induktion, Reflexion, ist eine leider sehr grobe Verkennung der Vermitteltheit des Materials, das in der Spekulation (nicht nur im deutschen Idealismus, sondern auch etwa in der Phänomenologie, die spekulativer ist, als sie wahrhaben will) die entscheidende Rolle gespielt hat. Das Verlangen nach Unmittelbarkeit und das nach Gewißheit sind die Hauptlaster und Hauptideologiequellen der philosophischen Arbeit, von der jedenfalls gesagt werden kann, daß sie diese Dinge, wenn es sie denn gibt, vernichten muß, um überhaupt in ihre Rechte treten zu können.
    Einer wie Wittgenstein, der Sprachbedeutung auf Sprachhandlung zurückführt und auch sonst aus manch metaphysischem Ballon die Luft läßt, wirkt da in der Tat so heilsam, wie Rorty ihn liest; die Analysis hat seit Moore, der erklärte, er sei nur deshalb Philosoph geworden, weil ihn der Unsinn, den die Philosophen schreiben, so geärgert habe, in dieser Richtung allerlei bewirkt; das historisch Erfreuliche daran ist diesmal wirklich in die logische Anlage solcher Lehren eingesenkt, nicht bloß Glücksartefakt; Köpfe dieser Sorte sind Begriffsklärer eher als Begriffsschöpfer, unverächtliche, angenehm urbürgerliche Leute also (schon das vormanufakturische Handwerk brachte ja außer Zimmerleuten oder Schneidern auch Scherenschleifer und Gärtner zu Ansehen, Menschen, die etwas schärfer machen oder zum Blühen bringen).
     
    Je nach »Theoriedesign« (ein treffendes Wort Luhmanns) gibt es unter diesen wie unter den Schöpferischen (der Unterschied ist graduell, nicht starr) krudere und weniger krude, auch das ist oft eine Frage des Zeitpunkts: Den physikalischen Gesetzen nach stand der Erzeugung von Glühbirnen schon bei den Sumerern nichts im Weg; aber was ein Thomas Metzinger übers Ich vermutet oder sagt, paßt trotzdem besser in die hocharbeitsteilige Internet- und iPhone-Welt als in die Epoche des deutschen Idealismus, der sich mit diesen Fragen doch auch beschäftigt hat. Die logischen Prämissen wachsen, allem Gerede von perennierenden philosophischen Grundannahmen zum Trotz, geschichtlich mit den Ansprüchen, welche die Menschheit an die aus ihnen zu gewinnenden Schlüsse stellt, und diese Ansprüche wieder mit den sich vervielfältigenden Gelegenheiten, sie zu formulieren.
    Für die begrifflichen Hebel, Räder, Kugellager, Flaschenzüge, Dreschtrommeln und Kreiselkompasse der philosophischen Literatur gilt dasselbe wie für andere Maschinen, der Stand der Produktivkräfte ist nicht das Alleinentscheidende – die beiden bedingen einander, können einander auch annihilieren, es gilt in der Marxschen Geschichtsphilosophie da eine Art Wellenmechanik; die Marxsche Theorie bietet an dieser Stelle eine weitere Technik der Begriffshandhabung, nicht bloß ein Instrument des Verstehbarmachens anderweitig schwer erklärlicher Erscheinungen und auch nicht nur eine revolutionäre Kriegswissenschaft – die Spannung beider Lesbarmachungsmöglichkeiten aber verhindert ihr Abstürzen in begriffliche Bastelei (also das, was man, Bourdieu folgend, manchmal »illegitime Theorie« nennt), gegen die der gesellschaftlich seiner Autonomie versicherte Philosoph einfach institutionell geschützt ist: Die gescheitesten Hobby-Cineasten werden nie eine so sorgfältig mit Bildungsgut aus der Ikonologie, Semiotik, den Sozialwissenschaften ausgekleidete und abgesicherte Ästhetik des Films erfinden können wie Leute, denen man dafür einen Lehrstuhl bezahlt (ob die

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