Der Implex
geprägt sind) für alle Spielarten des Dezisionismus. Das religiöse Echo, das in Hayeks tadelnder Formulierung vom »Mißbrauch der Vernunft« steckt, ist ja nur für die in derlei allerungeübtesten Ohren zu überhören; mißbraucht wird die Vernunft eben dann, wenn sie den ohnehinnigen Gang der Dinge, das Vorgefundene und (göttlich?) Gegebene aushebeln will, wenn sie sich zum »Haß auf das Schicksal« versteigt, das der Theologe Karl Rahner als eines der tragischen Grundmotive des modernen Menschen gesehen hat. Wie die Rechte so Rhetorik und Politik der individuellen Freiheit aneignet, versucht die Linke immer wieder, den Begriff erneut als wesenhaft ihrem eigenen Programm verbunden zu markieren, nicht nur in Marxens berühmter dialektischer Verbindung der freien Entfaltung aller mit der freien Entfaltung des Individuums in der erwarteten nachrevolutionären Gesellschaft; aber versetzt hierzu nimmt plötzlich die Rechte für sich in Anspruch, das gesellschaftliche Gesamtgeschehen mit umfassenden Theorien, wie sie zuvor ernstestes Projekt der Linken waren, eben doch in Drauf- und Übersicht beschreiben zu können, weil man dieses Feld der Linken, sobald es eine Öffentlichkeit (und gar ein »Wahlvolk«) gibt, nicht überlassen kann; und so wird, wann immer irgendwelche Linken sich auf Marxens Kapitalismusanalyse berufen, denn die mathematisierte Ökonomik und die Volkswirtschafterei der Neoklassik hervorgeholt, was den einen ihre Wertlehre, ist den anderen Hayek, Mises, Milton Friedman oder ein Bündel an die kühnsten Konstruktionen der mathematischen Physik gemahnender Theorien, das den Widerspruch erklären soll, daß nach neoklassisch-prokapitalistischer Überzeugung die Märkte so sichere Garanten der allgemeinen Wohlfahrt sind und sowenig von Menschen verpfuscht werden dürfen, die ihre Effektivität nur behindern würden, wie nach katholischer Heilslehre der liebe Gott, und wenn jemand dann darauf hinweist, daß die Existenz von Hedgefonds und anderen Instrumenten des Investierens, das heißt der kapitalistischen Geldvermehrung auf dem Stand eines hochentwickelten Finanzsektors, eigentlich gar nicht möglich wäre, wenn die Besitzer der Kapitalien an den unergründlich-automatisch-harmonischen Markt glauben würden, auf dem sich dann nämlich die von den Investoren erhofften Gewinne nicht realisieren, die richtigen Anlagen vorab nämlich nicht erraten ließen (denn ginge das, so ginge eigentlich auch Planwirtschaft; was da das leistet, was »Finanzinstrument« heißt, könnte dann ja auch ein Staats-, ja sogar ein demokratisches Instrument leisten), so kontern die prokapitalistischen Wirtschaftsweisen mit Auskünften über die wissenschaftliche Arbeit von Leuten wie Robert C. Merton, Myron S. Scholes und Fischer Black, welche die Bewertung von Derivaten und anderen Transaktionen für Haushalte und Firmen transparent (nun ja: man sehe sich die Gleichungen einmal an) gemacht haben, aber eben nur unter der Voraussetzung funktionieren, daß die Märkte von »Interventionismus« (der im Handeln von Firmen und Haushalten offenbar noch nicht liegt; erst wenn der Staat eingreift, wird es bitter) verschont bleiben (es sei denn, die Sache geht trotz Gleichungen schief, dann geht das Fähnlein Fieselschweif für Onkel Dagoberts Bank sammeln, und die Regierungen löhnen für die Finanzmarktkrise).
Plötzlich sagt da der Mathematiker und Vater der modernen Fraktalforschung Benoît Mandelbrot über die prokapitalistische rechnende Rechte, was Hayek und Mises über die antikapitalistische rechnende Linke sagt, nämlich, daß deren Berechungen Hybris seien und ihr Wissen angemaßt – in einer der hübschesten Retourkutschen der modernen Wissenschaftsgeschichte meint Mandelbrot, die Analysten seien sowenig in der Lage, den freien Markt zulässig zu beschreiben –, das berühmte Marktgleichgewicht sei gar keine mögliche Lösung der Gleichungen, mit denen die mathematisierte Ökonomik diesen Markt zu erfassen suche, die Preisfindung durch Märkte löse notwendig jene Krisen aus, die zu vermeiden man in anderen Wissenschaftszweigen überhaupt Gleichungen aufstelle und so weiter. Unterdessen aber enteignen in einem weiteren begriffsstrategischen Schritt nun wieder die Linken marktzugemessene Rhetorik, indem nun plötzlich sie verstärkt vom »Investieren« reden, das doch einmal Vorrecht des individuellen Unternehmergenius gewesen war (nämlich Rechtfertigung seiner Modi der privaten Aneignung: Er müsse die Profite
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