Der Implex

Empire (1952) und Second Foundation (1953). Die Epopöe handelt von einem galaktischen Imperium (mit Gibbonsschen und Spenglerschen Zügen), dem aufgrund politischer Stagnation das Schicksal bevorsteht, das Marx und Engels dem Kapitalismus für den Fall des Ausbleibens einer sozialistischen Revolution prognostiziert haben: das Abgleiten ins Unzivilisierte, Wiederaufbrechen unmittelbarer, atavistischer Antagonismen, Zusammenbruch der Produktivkräfte von Wohlfahrt und Freiheit. Bei Asimov hat diesen Untergang einer, wie Marx das im dritten Band versucht hat, mittels anspruchsvoller statistisch-politbayesianischer mathematischer Instrumente vorausberechnet: Der Gelehrte Hari Seldon ist der Erfinder einer präzisen Wissenschaft namens »Psychohistorie«, welche die Marxschen Gesetzmäßigkeiten (tendenzieller Fall der Profitrate, Veränderung der organischen Zusammensetzung des Kapitals, immanente Verwertungsschranke), den Parsonschen Strukturfunktionalismus in der Soziologie, die Condorcetsche Fortschrittswissenschaft, die Luhmannsche Theorie sozialer Systeme, die Actor-Network-Soziologie der Gegenwart und die Spenglersche Kulturkreislehre auf höchstem, heutigen Computersimulationen entsprechendem Niveau ineinanderschiebt, welche die exaktestmögliche Bestimmung von Jonbar-Scharnieren erlaubt, die man sich überhaupt vorstellen kann.
    Hegels attraktive These, wonach die Geschichte sich, falls Napoleon oder Alexander der Große nicht zum Stichtag erschienen wären, eben anders beholfen hätte und doch zum selben Ziel gelangt wäre – die Menschheit, argumentiert er einmal hinreißend, bedurfte des Schießpulvers, »und alsobald war es da« –, wird von Hari Seldon gleichsam formalisiert, aber nicht, um die auf diese Weise erkannten Gesetzmäßigkeiten einfach ihr Werk tun zu lassen, sondern als Erkenntnisfenster für die Chance des Gegensteuerns.
     
    So wird der Verfall, den Seldon kommen sieht, mittels zweier think tanks, die zugleich zivilisatorische Archive, Forschungszentren und Politbüros sind, zwar nicht vermieden (das steht, sieht Seldon, sowenig in ihrer Macht wie die Abschaffung der Schwerkraft in derjenigen von Flugzeugkonstrukteurinnen), aber doch verkürzt. Das Baconsche »Wer die Natur beherrschen will, muß ihr gehorchen können« gilt also auch für die soziale bzw. »Psycho«-Geschichte um die beiden foundations; die eine arbeitet offen, die andere verdeckt, und das dunkle Zeitalter wird dank der dort geleisteten Mönchsarbeit auf immerhin tausend Jahre gestutzt (eine lustige Inversion nicht zuletzt des tausendjährigen Reiches millenarischer evangelikaler Christen oder Nazis). Bei alledem ist Asimov Realist (und US-Amerikaner) genug, die Rolle des Individuums in der Geschichte nicht restlos durchzustreichen (das gäbe ja auch einen faden Roman respektive eine noch fadere Romantrilogie her): Im zweiten Band taucht unverhofft und nichtberechnet ein Mutant auf, der das um sich greifende Chaos zur Machterschleichung nutzt; die Foundation-Leute aber bekommen den Störfaktor schließlich in den Griff, getreu ihrer Devise: So spannend und manchmal erratisch ein Flußverlauf sein mag, eins weiß man immer, der Strom fließt abwärts.
     
    Was die »Psychohistory« (nämlich die Asimovsche, es gibt auch noch eine ernsthafte, aber alles andere als exakte Theorie dieses Namens von einem Menschen namens Lloyd DeMause, sein Hauptwerk aus dem Jahr 1982 trägt lustigerweise den Titel Foundations of Psychohistory ) bereitstellt, ist eine »Landkarte« sensu Wells; ihre Extrapolationen vierter Grenzwerte, die ein Optionenspektrum einschränken, innerhalb dessen Individuen dann Entscheidungen treffen; ein Idealbild der Sozialwissenschaften, das auf Menschen, die sich etwa fürs Wirtschaften interessieren, durchaus so stimulierend wirken kann wie die frühen space operas auf die Ingenieurskader der NASA: Aus David Warshs kleiner Geschichte kapitalistischer Wissensökonomien, Knowledge and the Wealth of Nations , erfahren wir ohne besondere Überraschung, daß Paul Krugman, Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften des Jahres 2008, in seiner Jugend die Foundation -Bände geliebt und sich an der Weisheit Hari Seldons erbaut hat.
     
VII.
Ich und Ich als Netzeffekte; peer-to-peer als neues Gemeinschaftsmodell
    Individuen, Kollektive, Freiheit, Berechnung: Hat die Produktivkraftentwicklung diese Sorgen nicht hinter sich gelassen, Antiquitäten daraus gemacht, sehen wir heute in der modularen Welt der