Der Implex
überhaupt nichts jemals mit seinem Begriff identisch war; Begriffe sind stets nur Begriffe von etwas, nicht dieses selbst (nicht einmal der Begriff »Begriff« ist dasselbe wie der Begriff als solcher, welcher alle Begriffe wäre, die aber ein einzelner eben deshalb nicht sein kann). Die Implexrelation, in der sich Regeln (und zwar nicht nur die irgendeines normativen Systems der Ethik, sondern etwa auch die der kapitalistischen Wirtschaftsweise) zu dem befinden, wovon und wofür sie Regeln sind, ist eine der wechselseitigen Durchdringung, die abermals nicht mit den alltagsverständigen mengentheoretischen Intuitionen harmoniert, sondern eher so gedacht werden muß wie etwa die berühmten »unbekannten Parameter« in gewissen bayesianischen Rechnungen (das eben ist ja der Fortschritt bei Erkenntnisschritten wie dem, den Bayes vollzogen hat: Wenn man endlich einmal weiß, was man nicht weiß, von welcher Art es ist und von welcher es nicht sein kann, weiß man paradoxerweise schon wieder mehr. Jeder Wissenszugewinn über die Umrisse des Unbekannten durch genaue Reflexion auf die Innenbeschaffenheit der Grenzen des Bekannten vernichtet den Satz »Ich weiß, daß ich nichts weiß«, der vom Ding an sich träumt, durch sein Gegenteil, das ihm so ähnlich sieht: »Ich weiß, was ich nicht weiß«, der die Dinge an sich, nach dem edlen Wort von Engels, zu Dingen für uns macht).
Die Regeln des Verhaltens (ein typisch heimtückischer deutscher Genitiv; dieser Sprache eignen wirklich gewisse Vorteile für die Praxis der Dialektik) sind nämlich a) in mancherlei Hinsicht reicher als das wirklich beobachtbare Verhalten (es sind im jeweiligen Spiel lange Phasen denkbar, in denen bestimmte Regeln niemals berührt werden), aus dem allein sie erschlossen, dem allein sie vorausgesetzt, auf das allein sie bezogen, ohne das sie also nicht existieren können; aber das wirkliche Verhalten ist seinerseits b) umgekehrt auch wieder reicher als die Regeln (weil es sie ignorieren oder gegen sie verstoßen kann, weil es in ihrem Zusammenhang etwa vorhandene Widersprüche lösen kann – und muß, um als kohärentes Handeln zu existieren –, und weil es schließlich selbst Widersprüche generieren kann, die weder in den Regeln begründet sind noch von diesen verhindert werden können), während endlich c) aus alledem die Unterscheidung zwischen Regeln und Fakten selbst als eine Regel hervorgeht, die faktischen Charakter nur da (aber da dann eben wirklich) hat, wo sie angewandt werden kann, was aber jeweils erst dann deutlich wird, wenn sie angewandt wird (es verhält sich mit diesem Unterschied also wie mit allen, bei denen man unbekannte Parameter voraussetzen sollte, sie dann aber auch abschätzen darf, etwa demjenigen zwischen den analytischen und den synthetischen Wahrheiten – man könnte ihn, wie Quine und Davidson das bei jenem anderen getan haben, als »Dogma« anprangern, man könnte ihn aber auch, wie das Strawson der Ältere und Grice getan haben, rechtfertigen, indem man den Erfahrungsgrundsatz bekräftigt, daß der bloße Nachweis der logischen Inkonsistenz einer Begriffsmaschine und Referenzstrapazen, für die sie nicht gebaut ist, niemals ihre Nützlichkeit für den erwiesenen Anwendungsbereich negieren kann – ja, diese Gabel eignet sich nicht zum Essen von Suppe, aber deshalb muß kein Mensch versuchen, die Pommes frites in Zukunft mit dem Löffel aufzuspießen).
Stets ist der Witz an dabei etwa aufscheinenden Unterschieden teils operativer, teils logischer Beschaffenheit wie dem zwischen notwendiger und hinreichender Bedingung derjenige, daß man von beiden zwar jeweils sagen kann, wie sie zueinander inferentiell stehen (»Raum der Gründe und Folgerungen«), aber nur sehr selten vorab weiß, wie sich dies operativ, also kausal (»Raum der Ursachen und Wirkungen«) in konkreten Situationen niederschlagen wird (es liegt also zwischen Regeln und Handlungen stets, auch in den diszipliniertesten Handlungszusammenhängen, so etwas wie Davidsons anhand des Verhältnisses neurophysiologischer Tatsachen und geistiger Erlebnisse entwickelter »anomaler Monismus« vor, was der tiefste Grund für die Wahrheit von Ryles Feststellung ist, intelligentes, das heißt bewußtes, das heißt intensionales (und oft, aber nicht immer: intentionales) Probehandeln oder Handeln könne niemals erschöpfend beschrieben werden als Anwendung einer Regel: Wären beide völlig regellos, gäbe es sie nicht, wären die Regeln aber alles, was
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