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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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geschlagen oder umgebracht; sein Herrenstatus bestand darin, daß er so was durfte, die Norm war seine, sie schützte personale Formen der Souveränität: Der Herr darf alles; in der hochkapitalistischen erfror man obdachlos auf der U-Bahn-Treppe: Der Herr interessiert sich nicht mehr für mich; in derjenigen, die nun im Werden begriffen ist, sind einander abwechselnd alle Bedrücker und Bedrückte egal oder verhaßt; denn wenn die Produktivität erst einmal so hoch ist, daß sich in den reichsten Zonen der Gesellschaft für viele selbst im Müll genug zu essen findet, diese Zonen aber bei allem Reichtum so beschaffen sind, daß es Menschen gibt, die tatsächlich im Müll nach Essen suchen, wenn also eigentlich alle sehen können, daß Verhungern und Obdachlosigkeit unnötig sind, aber vorhanden, wird das bloße Fortbestehen des gegebenen Zustands selbst zu Recht als gewaltsam empfunden. Die Menschen machen einander gegenseitig kaputt und ignorieren einander zugleich, vom Mobbing über die zerredete elektronische Einsamkeit bis zum Amoklauf im Klassenzimmer, was kaputtgeht, sind die Leute, aneinander, und was noch produziert wird, ist nicht Tauschwertfraß, der den Gebrauchswert aufzehrt, sondern Zeug, von dem eigentlich niemand mehr sagen kann, ob es einen Tauschwert oder einen Gebrauchswert hat, weil das gesellschaftliche Relationen zwischen Menschen sind und diese selbst immer unwirklicher, fadenscheiniger, gespielter empfunden werden und keiner greifbar ist, der ein Machtwort sprechen könnte, das noch durch anderes gedeckt wäre als fungible Macht, fungible Gefolgschaft, fakultative Zwanghaftigkeit und erzwungene Flexibilität. Alle zwingen alle zum Weitermachen bei etwas, dessen Regel ist, daß keine Regel des Zusammenlebens, wie sie traditionale Gesellschaften haben, den geringsten abstrakten Respekt verdient, aber alle »Sachzwänge« jederzeit konkreten Gehorsam erzwingen können. Leute wie die in jenem »Unsichtbaren Komitee« versammelten, das 2010 und 2011 mit dem Manifest vom »kommenden Aufstand« von sich reden gemacht hat, schließen aus der Tatsache der Depersonalisation von Unterdrückung, Ausbeutung und Ausgrenzung nach der Machtseite hin so etwas wie »Wenn es keinen Herrn mehr gibt, muß man sich doch wirklich nicht mehr beugen« – der sympathische, aber nicht ungefährliche Denkfehler dabei ist, daß der Gegner namens Niemand nicht keiner ist, sondern alle, und der Katzenjammer, der eintritt, wenn so etwas dann praktisch schiefgeht, führt allzuleicht (geschichtlich daher oft auch: allzuschnell) in privatistische oder sentimentale phantastische Fluchten, deren Beschaffenheit als etwas, womit schon Marx und Engels zu kämpfen hatten, wir im sechsten Kapitel behandelt haben, in denen Hardts und Negris Empire gipfelt und abschließt und die den Kampf gegen die virtuelle Autorität eintauschen wollen gegen eine Hinwendung zum schlechten Besonderen, nämlich konkreten Beziehungen zwischen den Unterdrückten, Ausgebeuteten, Ausgeschlossenen, Alleingelassenen selber, die kompensatorisch verbergpredigt werden – diese Liebe macht tatsächlich, wie die Redensart sagt, blind, denn die Beziehungen zwischen den Angeschmierten, in denen da Lösung, Rettung, Ausweg gesucht werden, sind ja gerade das Problem (wir erinnern an Keith Richards und seine Antwort auf »All you need is love«: »Try paying the fucking rent with that«), nicht irgendwelche Aufsichtsratsfiguren, über deren Krawatten und NYSE-Anstecker man sich so unergiebig lustig machen könnte wie die schlechte sozialdemokratische oder kommunistische Karikatur aus der Zeit der Weimarer Republik über Weste, goldene Taschenuhr und Homburg. Das stete gegenseitige Drohen aller wider alle mit Gemeinschaftsentzug im Falle des Eigensinns oder seines Gegenteils, der hedonistisch-unproduktiven Enthemmung, stabilisiert »das System« nicht nur, sie ist das System; wer das aber ausspricht, also nicht nur »die da oben« anblökt und anklagt, wird nicht nur von Rechten oder Wirtschaftsliberalen scheel angesehen, sondern auch von den Parteigängerinnen und Gesinnungsfreunden der nachdenklichen, mündigen, »kritischen Folklore« (Michael Rutschky). Das einzige, was in dieser Umzingelung zu tun, zu denken, zu schreiben übrigbleibt, wenn man nicht alles so lassen will, wie es ist, läuft auf das Eingeständnis hinaus, daß die philosophische Beschäftigung des Begriffsingenieurswesens, das nach unserer im dreizehnten Kapitel entwickelten Ansicht dafür da

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