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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Gerechtigkeit, und daß man diesen Widerspruch, der ganz auf der Ebene von Sollen und Wollen liegt, angreifen müsse, um die bürgerlich universalistischen Gerechtigkeitsvorstellungen, welche die Bürger nicht verwirklichen können, gerade einzuholen (und nur in diesem Sinn dann auch: aufzuheben).
     
    Noch der strenge Foucault-Opponent Chomsky, gewiß kein orthodoxer Marxist, denkt entschieden so; Foucault erwidert ihm, als maoistischer Nietzsche oder nietzscheanischer Mao:
    »Wenn Sie gestatten, werde ich ein bißchen nietzscheanisch sein. Mit anderen Worten, mir scheint, daß die Idee der Gerechtigkeit selbst eine Idee ist, die in verschiedenen Typen von Gesellschaften erfunden und angewendet wurde als ein Instrument einer bestimmten politischen und wirtschaftlichen Macht oder als Waffe gegen diese Macht. Aber mir scheint, daß in jedem Fall der Begriff der Gerechtigkeit selbst seine Rolle innerhalb einer Klassengesellschaft spielt, und zwar einerseits als Forderung seitens der unterdrückten Klasse und andererseits als Rechtfertigung seitens der Unterdrücker. (…) Ich bin mir nicht sicher, ob man in einer klassenlosen Gesellschaft diesen Begriff der Gerechtigkeit noch nötig hätte.« 248
     
    Same procedure as last year: Die Zweideutigkeit im bestimmten Artikel (»dieser« Begriff) ist einmal mehr das forensische Haar auf dem Teppich, an dem die gegenaufklärerische Strategie sichtbar wird, einen erst aus Zeit und Raum zu stoßen und dann »nachzuweisen«, daß er irdisch »nur« an Klasseninteressen oder andere Konkreta gebunden vorkommt, um ihn folglich für entbehrlich zu erklären; während Marx und Engels programmatisch (und also normativ) bestimmt haben, was Gerechtigkeit gerade in einer klassenlosen Gesellschaft wäre (das berühmte Parallelogramm der Fähigkeiten und Bedürfnisse nämlich), die man, wäre sie darin nicht verwirklicht (und also vorhanden statt entbehrlich), gar nicht als solche erkennen könnte (für Hacks-Kundige: »Wohin willst du schänden?«).
    Foucault sagt, das bisherige Normative ist abzuschaffen, Schmitt sagt, es ist im Souverän aufgehoben genug und muß nicht fixiert werden, Marx und Engels sagen, es ist zu verwirklichen, gegen diejenigen, die es im Munde führen, um es aus der Wirklichkeit herauszuhalten. Lobt man Marx und Engels für die Abwesenheit des Normativen in ihrer Theorie, so löscht man aus, daß sie es in die Praxis überführt, nicht annihiliert wissen wollten.
     
    Daß überhaupt ein Gesetz sei, und daß es dem Kampf der Interessen den Rahmen stelle, ist für Schmitt jüdische Erfindung, die er vom Alten Testament bis zum juridischen Positivismus Hans Kelsens sich vererben und die Welt der konkreten Ordnungen zerfressen sieht – der rechte Nomos dürfe eben nicht in funktionaler Normativität beschlossen sein; Schmitts Ablehnung »normativer Sozialphilosophie« reicht tatsächlich zurück bis zu Tora und Talmud als deren Urbild; wie Paulus den Juden verkündete, Jesus habe das geschriebene Gesetz aufgehoben, verkündet Schmitt, der Souverän brauche keins: »Das Recht als Herrscher, der Nomos basileus, kann nicht irgendeine beliebige, nur positive Norm, Regel oder Gesetzesbestimmung sein; der Nomos , der einen rechten König tragen soll, muß gewisse höchste, unabänderliche, aber konkrete Ordnungsqualitäten in sich haben. Von einem bloßen Funktionsmodus oder von einem Fahrplan wird man nicht sagen, daß er ›König‹ sei«, 249 eine Auffassung, über die er sich mit H.G. Wells nicht streiten müßte, der Funktionsmodus und Fahrplan, wie wir ausgeführt haben, unter dem Namen map kannte, aber im Gegensatz zu Schmitt bejahte, eben weil er nicht wollte, daß überhaupt irgendwer oder irgend etwas »König« sei.
     
    Schmitt stört am Normativismus hinterm Rechtspositivismus, daß er künstlich ist und von Intriganten, Verschwörern, der abstrakten Variante der Rosenbergschen Freimaurer gemodelt wird (»Die Herren der Lex unterwerfen den Rex«, klagt er 250 ), Foucault weist dem Gerechtigkeitsbegriff dasselbe nach: Interessen haben ihn geboren, Klassen oder sonstige Partikularitäten heben ihn auf ihre Schilde, Schmitt und Foucault also erklären diese Künstlichkeiten für entbehrlich, der König oder die Revolution, welche die Klassen abschafft, soll sie mitbeseitigen – Marx und Engels aber stört am bürgerlichen Normendenken das gerade Gegenteil, es ist ihnen nicht künstlich genug, es verdient als Setzung ernst genommen, nicht von Urkräftigem wie

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