Der Implex
wir nicht die normative Sozialphilosophie, vor der Henning warnt?
Die Frage beantworten können wird man nur, wenn man weiß, was wir eigentlich mit »Handeln« meinen.
III.
Was Handeln will
»Handeln« ist für uns eine spezifisch menschliche Spielart des allgemeinen »Verhaltens« tierischer Organismen. Sie wird von Denken begleitet, vorbereitet oder analysiert, zwischen Denken und Handeln besteht eine Implexbeziehung, die nach der einen Seite das Denken als Probehandeln (dem nicht immer ein Handeln folgt), nach der anderen aber das Handeln als Verwirklichung von etwas, das man denken kann (nicht immer auch: das gedacht wurde), zu begreifen erlaubt. Probehandeln heißt: intensionale und intentionale Verschiebung, Verdichtung, Synthese oder Analyse gespeicherter Vorstellungsinhalte (Wahrnehmungen oder diese vergleichender oder unterscheidender Symbole, Typen, Tokens, Wörter und Begriffe); Handeln heißt: Denken mit dem Körper, also Denken, das mehr Kalorien verbrennt als der bloße Hirnvorgang, intensionale und intentionale Verschiebung, Verdichtung, Synthese oder Analyse physikalischer Objekte im und am Körper sowie in (richtig oder falsch) kalkulierter Folge davon in der diesen Körper umgebenden Welt.
Das normative Denken, die Auseinandersetzung damit, was sein soll oder muß, ist die logische Form, in der die Intentionalität und Intensionalität des Denkens sich selbst wahrnehmen, verschieben, verdichten, synthetisieren und analysieren kann; was »sein soll«, ist schlicht die Verrechnung von »Was wünsche oder will ich, welche Zwecke setze ich« mit der maximalen Datenmenge aus der (physikalischen, chemischen, sozialen, auf der abstraktesten Stufe also: informatischen) Umwelt; alle dabei möglichen Fehler sind im Kern Rechenfehler, inklusive »das Böse« (welches den Versuch darstellt, sich über einige spezifisch sozialen Möglichkeitsbedingungen intensionaler und intentionaler Akte hinwegzusetzen, à la »Niemand weiß, was ich mir dabei denke« oder »Es wird mich schon niemand erwischen« oder »Ich werde mittels Tricks rechtfertigen können, daß ich dies und das getan habe, jedenfalls aber den negativen Sanktionen entgehen, die sonst über diesen Akt verhängt werden«).
Der Versuch, die Normativität aus dem Probehandeln zu schneiden, ist daher der freiwillige Verzicht auf eine Reflexionsstufe, die man einnehmen kann, aber nicht muß, und gleicht in vielem dem kindischen Einfall, das Denken zu reformieren, indem man aufs Hauptwort »Sein« und alle damit verbundenen Zeitwörter verzichtet – auch dies ist tatsächlich vertreten worden, nämlich von den Anhängerinnen und Schülern einer ultrakonsequent idealistisch-begriffsrealistischen Lehre namens »allgemeine Semantik«, die als eine Art gescheitere »Dianetik« oder dümmere Psychoanalyse von einem amerikanischen Science-fiction-Pop-Philosophen namens Alfred Korzybski erdacht wurde, dessen großer Geistesblitz darin bestand, alle Neurosen, alles Unglück, alle Mißverständnisse und zwischenmenschlichen Schwierigkeiten rührten letztlich nur daher, daß die Leute von ihrer Grammatik, die sie auf Formen wie »x ist y« verpflichte, ungünstigerweise immer wieder in Versuchung geführt würden, sich darauf festzulegen, was der Fall sei. Anstatt in diese vom Seinsprädikat erzwungene Falle der aristotelischen, widerspruchsfreien Logik (ein Ding ist entweder a oder nicht a, tertium non datur) zu gehen, solle man einer Logik folgen, die das Firmenzeichen »Null-A« trägt (und umfangreiche Science-fiction-Phantasien des Kanadiers A.E. van Vogt befruchtet hat), und ein modifiziertes Englisch namens »E-Prime« sprechen, das ohne »is«, »are« und »being« auskommen will. Daß wir das aus den oben genannten Gründen für Unfug halten (den der wackere Vernunftmensch Martin Gardner in mehreren und ausführlichen Veröffentlichungen angemessen rücksichtslos zerlegt hat), heißt indes nicht, daß wir uns über die spezifisch menschlichen, von der Evolution unseres Hirns und also Bewußtseins hervorgebrachten Arten des Weltzugangs via propositionale (den nichtnormativen Bereichen von Ursache und Wirkung einerseits, Grund und Folgerung andererseits zugehörige), evaluative und direktive (dem normativen Bereich zugehörige) Sätze und die zwischen diesen möglichen inferentiellen Beziehungen hinaus keine weiteren Denkarten oder Erfahrungsformen vorstellen können – wenn Denken eine Hirnfunktion ist und Handeln eine des Körpers, dann lassen
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