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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Besitzendenstolz, den sie ahnen lassen, schmeckt ein bißchen nach dem Ahnenraunen, das Heideggers etymologische Archäologie einfangen wollte (immerhin sagen sie »Technik« und meiden den Dünkelnonsens »Technologie«). Daß Aristoteles in der Nikomachischen Ethik die Unterscheidung zwischen techne , dem geschickten und zweckgerichteten Tun, und Praxis, dem Tun an sich, entlang derselben permeablen Linie zieht, die wir oben nachgezogen haben, wollen wir indes nicht wie Heidegger seine wörtlichen Übersetzungen aus der antiken Philosophensprache im Sinne eines Autoritätsbeweises herbeizitieren, sondern nur als historisch-begrifflichen Hinweis darauf, daß Begriffsarbeit in Zivilisationen, deren Arbeitsteiligkeit genügend Muße produziert, solche Begriffsarbeit und damit eine philosophische community zu ermöglichen (im griechischen Fall auf der Basis der Sklaverei, das sei nie vergessen), aus funktionalen Gründen adaptiver Komplexität zu dieser Linie neigen können, ähnlich wie etwa die Unterscheidung zwischen Nomos und Physis bei den Sophisten unserem Gebrauch der Natur/Kultur-Differenz ähnelt, aber den Naturrechtsbegriff auf der Seite der Physis expliziert, während wir sie als Implex der Einheit der Differenz von Nomos und Physis selbst ansehen (wissenssoziologisch könnte man sagen: Das dürfen wir, weil wir zwar in einer Klassengesellschaft leben, denken und schreiben, die Zurechnung von Hand- und Geistesarbeit, erkennender und normativer, naturbearbeitender und kultureller Arbeit aber in der Sozietät, die uns hervorgebracht und geprägt hat, nicht so rigide binär organisiert ist wie in einer Sklavenhaltergesellschaft oder auch einer feudalen – der bürgerlichen Emanzipation und dem Kapitalverhältnis sei Dank).
     
    Lasuren und Impasto sind »Technik«, jedenfalls für die Künstlerin, sensorische nodes von Computernetzwerken, Gensequenzierung und -rekombination aber auch, denn es lassen sich damit (wie dies der Künstler Eduardo Kac getan, das heißt: veranlaßt hat) transgene, bei richtiger Beleuchtung grünlich strahlende Hasen schaffen, die »etwas aussagen«, oder »lokative Kunstwerke«, die Ubicomp-g estützte, dynamisierte Variante der Land Art sozusagen, bei der irgendwelche Objekte, mit Transceivern bestückt und mit GPS-Satelliten verlinkt, herumgeschoben oder anderweitig bewegt werden, so daß relationale Einrichtungs- oder Freilandskulpturen bzw. -choreographien entstehen.
    Wo die Computertechniker von Skalierbarkeit reden, spricht die Kunst von Disziplinen, Gattungen, Werken, Prozessen und jedenfalls »Maßgaben« (Hacks), die sie aber nicht einfach erfüllen, sondern mit ihrer techne (die der einschlägige kritische und historische Diskurs heute, Aristoteles zum Trotz, Praxis nennt) immer wieder neu setzen muß, um sie, wenn sie denn der Verpflichtung zum novum gerecht werden will, an das sie ihr Schicksal gebunden hat, seit sie autonom wurde, im nächsten Schritt, der dem Material, das sie selbst geschaffen hat, ins darin sichtbare Nochnichtseiende folgt und das Nichtmehrseiende aufhebt, schon wieder zu überschreiten, noch bevor die Kritik oder sonst eine Sorte Rezension ihr noch recht in die jeweils aktuelle Immanenz jener Maßgaben gefolgt ist.
    Was an technischen (im Alltags- wie im künstlerischen Verständnis dieses Adjektivs) Mitteln (technischen im Alltagsverständnis wie im künstlerischen) in den Künsten zugelassen oder gar verlangt wird, hängt nicht nur von den sogenannten Darstellungsabsichten ab, sondern spätestens ab dem von Duchamp und anderen Kunstaufhebern explizit gemachten Epochenschritt, der das von der Kunst bereits geschaffene seinerseits für kunstfähiges Material erkannt hat, oft auch von der Absicht, solcherlei Vorsätze gerade nicht aufkommen zu lassen (das einschlägige Stichwort heißt »Anti-Expressivität«, gemeint ist der Versuch, künstlerisch Äquidistanz zum Woher und Wohin des künstlerischen Moments selbst zu halten, also das zu tun, was wir oben als das Offenhalten für Zwecke mittels ihrer Negation beschrieben haben).
     
    Außer auf die Maßgaben, das heißt den Anschluß an etwas Allgemeines und die Vergleichbarkeit damit, verlangen für die im engeren Sinn künstlerische techne auch die internen Maß- und Mischungsverhältnisse der Kunstmittel Beachtung, ihr Reichtum, ihre Armut, und da ist es nicht nur nicht dasselbe, wenn zwei dasselbe tun, sondern sogar dann, wenn eine oder einer zweimal dasselbe tut und sich dennoch verschätzt.
    Der

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