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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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Terminologie dieses Buches nicht anders nennen dürfen als »Fortschritt«: Das neuere Künstlerische thematisiert die Tatsache, daß seine Zwecke sich nie erfüllen lassen, weil sie Probezwecke sind, Spielzwecke, für uns selbst heutige Menschen deutlicher als das ältere Künstlerische, aber damit wird nur die spezifische Differenz zwischen dem Künstlerischen überhaupt und der Nichtkunst verdoppelt, in die Kunst selbst geholt und in ihr verdoppelt, denn Kunst war gegenüber Nichtkunst schon immer das, was heutige Kunst gegenüber älterer Kunst ist. Technisches setzt ein zwecklos Vorhandenes – eine Naturtatsache, die in Maschinen isoliert und konfiguriert werden kann – unter Zwecke, verleiht also einem bereits Vorhandenen die Bedeutung, auf etwas noch nicht Vorhandenes (den zu erfüllenden Zweck) zu verweisen, diese Eigenschaft des Technischen – seinen Verweischarakter – isolieren nun die Künste, wie etwa ein Flaschenzug Eigenschaften der Mechanik isoliert und auf spezifisch zweckgebundene Weise konfiguriert – und machen daraus Bedeutungsmaschinen, das heißt Vorrichtungen oder Handlungszusammenhänge, deren Fähigkeit, auf andere zu verweisen, nicht ihren Zweck ermöglicht, sondern ihr Zweck bereits ist. Das Probehandeln gewinnt ja seine Zukunftsfähigkeit, sein von Musil sehr schön »Möglichkeitssinn« getauftes Empfinden für Kombinatorik und Unterscheidung im ersten aller Abstraktionsschritte, dem vom Gedächtnis, der Erinnerung, der Speicherung des nicht mehr Vorhandenen zum noch nicht Vorhandenen, aus dem Wissen, daß das, was wahrgenommen wird, einmal anders war, und der Hume und Reid so wichtigen Überzeugung, daß es folglich auch einmal anders sein wird. Die Künste wären nichts ohne dieses menschliche Gedächtnis: Daß etwas ein anderes bedeuten kann, ist nur gegeben, weil etwas an ein anderes erinnern kann; daraus ergibt sich zwingend auch ein besonderes Verhältnis der Künste zur Geschichte, aus dem wiederum ein besonderes Verhältnis der Künste zur Politik entsteht, welches beispielsweise ermöglicht, die Malerei Davids oder Courbets als eine Geschichte des französischen Republikanismus zu schreiben oder umgekehrt.
     
    Die spezifische Zugangsweise der sinntatsachengemäßen Reflexion auf die Erinnerungs-, Bedeutungs- und Verweismaschinen der Künste ist überall da, wo eine relative soziale Autonomisierung der Kunstsphäre erreicht wurde, notwendig nicht nur historisch, sondern vor allem begrifflich, von den Ideen der aristotelischen Ästhetik über die erzbürgerliche Idee einer »Klassik« bis hin zu Warburgs »Pathosformel«, Benjamins »Aura« und Ideen wie »Avantgarde« oder »Modernismus«.
    Die Konturensupplementarität von Künstlerischem und Begrifflichem gilt auch und gerade da, wo Kunstwerke selbst nicht begrifflich, also nicht im modernen Sinne »Konzeptkunst« sind, weil das Vokabular, in dem die inferentiellen und kausalen Zusammenhänge der Zweckwelt für Menschen explizit gemacht werden, kein Dingvokabular sein kann, sondern nur ein logisches (warum die Logik das Vokabular ist, das Inferentielles explizit macht, lese man bei Brandom nach; die Brücke zum Kausalen ist einfach zu schlagen: Das Inferentielle ist das von Menschen gemachte Kausale, das nichtnatürlich Folgerichtige, die Probehandlungsentsprechung zur im Handlungsbereich obwaltenden Kausalität des Verursachens von Effekten); Kunsttatsachen haben inferentielle Status in der Art, in der Inferenzen bei Brandom auf normative Status angewiesen sind. Die Nähe der Philosophie zu den Künsten, die sich selbst im Alltagsgeschäft der Kunstkritik immer wieder bemerkbar macht, ist vor diesem Hintergrund kein Rätsel; die Begriffsmaschinen, welche die Philosophie herstellt, sind sozusagen die Greifarme für die vergleichende und unterscheidende Manipulation der Bedeutungsmaschinen der Künste, was, wir wiederholen, nicht heißt, daß alle Kunst selbst begrifflich ist – es verhält sich eher so wie bei der technischen Reflexion auf den Unterschied zwischen Fermionen und Bosonen in der Teilchenphysik: Fermionen sind (wie etwa das Elektron) Teilchen mit Masse, auf welche Kräfte wirken, Bosonen sind (wie etwa das Photon, das Lichtteilchen) masselose Teilchen, aber wenn wir Menschen Bosonen manipulieren wollen, etwa für Experimente, müssen wir, da wir selbst fermionisch, materiell, aus Masseteilchen zusammengesetzt sind, Maschinen bauen, die das auch sind, also Lichtquellen wie etwa Laser, Photoplatten und so

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