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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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weiter. Zur Untersuchung des Begrifflichen wie des Unbegrifflichen der Künste ist das Begriffliche Mittel der Wahl. Wir wenden uns damit auch gegen seit einigen Jahren, bald Jahrzehnten aufgekommene Versuche, dem Begrifflichen bei der Befassung mit den Künsten zu entsagen und in seltsamer Mimesis an visuelle, poetische und andere spezifisch künstlerische Techniken der Bedeutungsproduktion das seit der Aufklärung geschaffene Begriffskontinuum in Richtung auf eine behauptete Transzendenz ins Reich des Künstlerischen selbst zu verlassen. Daß solche Versuche sich mitunter selbst als besonders aufgeklärt, Aufklärung über Aufklärung, also Aufklärung im Quadrat oder zweiter Ordnung verstehen, verschlägt nichts an der betrüblichen Wahrheit, daß sie einen Kategorienfehler zum Denkprinzip erheben wollen: Ob an der Hirnforschung orientierte neue Wirkungsästhetiken versuchen, das ästhetische Spezifikum der besonderen Zweck-Mittel-Interpenetration in Reiz-Reaktions-Analysen aufzulösen, die mit Daten aus neobehavioristischen Blickrichtungswechselmessungen plausibilisiert werden sollen; ob neodarwinistische Soziobiologica um einen sogenannten »Kunstinstinkt« oder gewagte Herleitungen kunstgeschichtlicher Epochenwechsel aus der Memtheorie von Richard Dawkins abgeleitet werden; ob die noch recht junge Verkörperungstheorie unter dem Eindruck der Leistungen dieser Lehre, die etwa Brian Cantwell Smith in On the Origin of Objects und Andy Clark in Being There beschrieben haben, die nichtbegrifflichen, aber gleichwohl kognitiven und sozialen Attribute der Kunstherstellung und -erfahrung für allen anderen möglichen Untersuchungsansätzen logisch vorgeordnet erklären; ob einzelne, nicht mehr kantisch als a priori, sondern, der Mode folgend, sozial konstituiert gedachte Erlebnisformen mit dem Bereich der Künste identifiziert werden und von dieser Warte aus, die Kunst gleichsam aus der Beschaffenheit der Möglichkeitsräume erklären will, in denen allein sie stattfinden kann, wie das etwa geschieht, wenn David Toop die immersiven Aspekte des Musikhörens für das schlechthinnige Wesen des Musikalischen erklärt oder David Summers das Erleben von Räumen für das Eigentliche aller visuell erfahrbaren Künste hält, was sich dann übers Taktile bis hin zu Abhandlungen über die Geschmacksknospen-Wirklichkeit bei der wörtlich genommenen »Kochkunst«, ja bis zur Bestreitung der Zuständigkeit begrifflicher Apparate selbst noch im Bezirk der Literatur weitertreiben läßt, da doch Sprache eigentlich nicht semantisch-syntaktisch, sondern nur als »gesamtsinnliches Artikulationssystem« verstehbar sei und man das Sprachliche nach dem »pictorial turn« oder »iconic turn«, oder wie immer die Sinnlichkeit suggerierenden Transzendentaltrivialitäten sonst heißen, eigentlich im Bildlichen oder Handlungstheoretischen oder Akustischen oder sonst etwas aufgehen lassen solle – stets ist der versprochene Fortschritt einer der angeblichen größeren Nähe der einschlägigen Diskurse zu den kunstspezifischen Gegenständen, und stets ist dieses Versprechen sowenig einzulösen wie beim Schritt vom Neukantianismus zur Lebensphilosophie, weil das Dazulernen gegenüber genuin ästhetischer Reflexion, das diese Theorien versprechen, in nichts Vernünftigerem besteht als dem wortreichen Vergessen dessen, was die genuin ästhetische Reflexion weiß, nämlich daß man den Dingen, Prozessen und Handlungen, die zu den Künsten zählen, durch Denken und Sprechen sowenig näher kommen kann wie nur je irgendeinem Ding, Prozeß, irgendeiner Handlung, die nicht schon selbst gedanklicher oder sprachlicher Art sind. Statt von einer Tautologie aus zu folgern und zu argumentieren, folgern und argumentieren diese Lehren damit allerdings immerhin von einer Paradoxie aus, und das ist immerhin lehrreich (etwa so, wie man eine Einbahnstraße immerhin in der richtigen Richtung befahren kann, während man bei einer Sackgasse nur entweder zum Stehen kommt oder wieder heraus muß). Ob einige dieser neuen Unternehmungen am Ende Sackgassen und Einbahnstraßen zugleich sind, wird die Zeit zeigen; einstweilen erinnern sie an ältere Versuche, nicht das Begriffliche am Ästhetischen, aber doch wenigstens das Ästhetische an der Kunst loszuwerden, von Nietzsches Bemühungen, es in vitalistischen Werturteilen über Kraft oder Dekadenz aufzuspalten, bis zum Sozialistischen Realismus: Man nimmt Drogen, um gewisse Emotionen und deren leidvolle Anlässe loszuwerden,

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