Der Implex
nicht haben: möglichst alle Menschen ohne Besitztitel zur Mehrwertschöpfung zwingen wollen und die Reproduktion weiter als verachteten, vom Wert abgekoppelten Sklavendienst einstufen. Rosa Luxemburg aber streitet nicht etwa für die Einführung eines Lohns für Hausarbeit, sondern für die Abschaffung des Lohnsystems insgesamt; wie sie denn stets statt barmherziger Verteilungslösungen immer die Lösung einer anderen Einrichtung der Produktion gefordert hat. Die gemeinsame Tafel für alle ist eine angenehmere Perspektive als mehr Katzentische für Elende.
Und was den Nebenwiderspruch angeht, so läßt sie sich auf gar keine Mißverständnisse ein:
»Einer der ersten großen Verkünder der sozialistischen Ideale, der Franzose Charles Fourier, hat vor hundert Jahren die denkwürdigen Worte geschrieben: In jeder Gesellschaft ist der Grad der weiblichen Emanzipation das natürliche Maß der allgemeinen Emanzipation. Das stimmt vollkommen für die heutige Gesellschaft. (…) Das allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht der Frauen würde – dank dem weiblichen Proletariat – den proletarischen Klassenkampf ungeheuer vorwärtstreiben und verschärfen.« 35
Die Theoretikerin darf damit, tongue somewhat in cheek, als Erfinderin einer sozialistischen Variante der Prädestinationslehre gelten: So wie den Prädestinierten jeder soziale Erfolg nur ein Zeichen dafür war, daß Gott besonders große Stücke auf sie hielt, und sie deshalb umso emsiger nach diesem Erfolg strebten, weil sein Eintreten der Beweis ihres ersehnten Ansehens bei Gott wäre, benutzt Rosa Luxemburg den Fouriersatz, um der Arbeiterbewegung etwas sehr Wertvolles einzupauken: Je schlechter es den Frauen geht, desto weiter seid ihr vom Erreichen eurer allgemeinen Ziele noch entfernt; in a nutshell enthält diese Analyse bereits alles, was wir oben Interpenetration und weiter unten trickle-down- Ausbeutung genannt haben.
VII.
Feminogironde, rechte Frauen und HeLa-Zellen
Die kapitalistische Hardware nicht zu zerbrechen, um eine den feministischen Zielen entsprechende Welt zu ermöglichen, sondern die in Hexis verwirklichte Materialität der kapitalistischen Erzeugungsweise statt dessen mit feministischer Software zu bespielen, ist häufiger versucht worden, als das Zurückbleiben der bürgerlichen Wirklichkeit hinter den bürgerlichen Freiheitsversprechen nahelegen sollte. Wir meinen nicht die Karrierefrau, nicht die angenehmeren oder wenigstens ambigen Ränder der Kultur- oder der Sexindustrie, sondern einige disparate und untereinander bislang sowohl praktisch wie ideologisch nahezu unvermittelte cluster von Lebensstilreformversuchen, die zu den unerquicklichen Feldeffekten der Tatsache gehören, daß Befreiungskämpfe denen, die sie führen, selten genug Spielraum lassen, ihre Front mit anderen Fronten anderer Befreiungskämpfe begrifflich und operativ zu verbinden. Zersplitterung droht, Kräfte wollen eingeteilt sein, und so arbeitsteilig wie die bürgerliche Welt ist der Widerstand gegen sie schon lange. Antirassistische Feminismen sind noch in der Hochmoderne eher Glücksfälle als die Norm, wenn man eine einzelne kühne Forderung (die amerikanische Kampagnensprache sagt issue dazu) erhebt, hat man damit genug zu tun. Olympe de Gouges bereits, deren Ruhm für die Tat, den Menschenrechten der enragierten citoyens rechtzeitig die Frauenrechte supplementiert zu haben, es verdient hätte, Jahrtausende zu überstrahlen, war sozialpolitisch die biederste Seele unter der Sonne, eine entschiedene politische (und, wie diese Dinge nun mal oft gehen, auch erbitterte persönliche) Feindin Robespierres, sie starb, weil die Revolution, nicht die Reaktion, sie hingerichtet hat.
Letztere freut sich über dergleichen ja immer wieder, gehässig wird der alte Mahnspruch »Revolutionen fressen ihre Kinder« geunkt, und vergessen soll man dabei, daß de Gouges’ schlimmes Ende nicht zwingend war, sondern zu den Wechselfällen von Gefechtssituationen, der traurigen Realität des emanzipatorischen friendly fire gehört, im Gegensatz zu der alles andere als zufälligen Tatsache, daß jene Revolution Stimmen wie ihre hörbarer machte, als sie je vorher gewesen waren.
Aus der maßvoll frauenfreundlichen Gironde um de Gouges einen prokapitalistisch-liberalen Frauenrechtlerkanon hervorgehen zu lassen, erfordert, wir geben das zu, keine Verrenkungen. Die jüngsten Ableger dieser Feminogironde beleben die Debattenszene in Print und Netz unter den
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