Der Implex
Oppositionsbewegungen abgeht:
»Um das Frauenwahlrecht handelt es sich als Ziel, aber die Massenbewegung ist nicht Frauensache allein, sondern gemeinsame Klassenangelegenheit der Frauen und Männer des Proletariats. Denn die Rechtlosigkeit der Frau ist heute in Deutschland nur ein Glied in der Kette der Reaktion (…). Für den heutigen Staat handelt es sich in Wirklichkeit darum, den arbeitenden Frauen und ihnen allein das Wahlrecht vorzuenthalten. Von ihnen befürchtet er mit Recht die Gefährdung aller althergebrachten Einrichtungen der Klassenherrschaft, so des Militarismus, dessen Todfeindin jede denkende Proletarierin sein muß; der Monarchie; des Raubsystems der Zölle und Steuern auf Lebensmittel usw.« 33
Der Hauptnutzen des strategischen Einreihens spezifischer Widersprüche in einen auf ökonomischer Grundlage geführten Kampf ist einfach das Vermeiden der Zersplitterung, die Verunmöglichung des »Teile und herrsche« bei gleichzeitiger Weigerung, Klassengegensätze zuzukleistern: »Die meisten bürgerlichen Frauen, die sich im Kampfe gegen die ›Vorrechte der Männer‹ wie Löwinnen gebärden, würden im Besitz des Wahlrechts wie fromme Lämmlein mit dem Troß der konservativen und klerikalen Reaktion gehen. Ja, sie wären sicher noch um ein beträchtliches reaktionärer als der männliche Teil ihrer Klasse.« Dieses Postulat, das heute auf der Basis der auf die Durchsetzung des Frauenwahlrechts folgenden Erfahrungen weiterdiskutiert werden könnte, geht von einer einfachen Überlegung aus: Solange die bürgerliche Ehe bestehen bleibt, schützt sie die Eigentumsordnung, die nicht nur patriarchalisch, sondern auch kapitalistisch ist. Die schlimmste Feindin der benachteiligten Frau kann die bevorrechtigte Frau sein – das sagt Rosa Luxemburg im schärfsten Ton, wenn sie von den Damen der Herren feststellt, diese seien »bloße Mitverzehrerinnen des Mehrwerts, den ihre Männer aus dem Proletariat herauspressen«, und solche
»Mitverzehrer sind noch rabiater und grausamer in der Verteidigung ihres ›Rechts‹ auf Parasitendasein als die unmittelbaren Träger der Klassenherrschaft und der Ausbeutung. Die Geschichte aller großen Revolutionskämpfe hat das grauenvoll bestätigt. Als nach dem Fall der Jakobinerherrschaft in der Großen Französischen Revolution der gefesselte Robespierre auf dem Wagen zum Richtplatz gefahren wurde, da führten die nackten Lustweiber der siegestrunkenen Bourgeoise auf den Straßen einen schamlosen Freudentanz um den gefallenen Revolutionshelden auf. Und als im Jahre 1871 in Paris die heldenmütige Arbeiterkommune mit Mitrailleusen besiegt wurde, da übertrafen die rasenden Weiber der Bourgeoisie in ihrer blutigen Rache an dem niedergeworfenen Proletariat noch ihre bestialischen Männer.« 34
Bevor nun aber jemand Rosa Luxemburg Vulgärmarxismus vorwirft und das an ihrem Angriff aufs »Parasitentum« festmacht – die Biedermannvariante des Klassenstandpunkts: Wer nicht arbeite, solle auch nicht essen, gehört gewiß zum Unglücklichsten, was die Arbeiterbewegung hervorgebracht hat –, lohnt sich der Hinweis darauf, daß gerade die erzvulgärmarxistische Unterscheidung von produktiver und unproduktiver Arbeit der Angriffspunkt ist, von dem aus Rosa Luxemburg die Substantialisierung und Biologisierung des sozialen Geschlechterverhältnisses angreift:
»Als produktiv gilt – solange Kapitalsherrschaft und Lohnsystem dauern werden – nur diejenige Arbeit, die Mehrwert schafft, die kapitalistischen Profit erzeugt. In diesem Standpunkt ist die Tänzerin im Tingeltangel, die ihrem Unternehmer mit ihren Beinen Profit in die Tasche fegt, eine produktive Arbeiterin, während die ganze Mühsal der Frauen und Mütter des Proletariats in den vier Wänden ihres Heimes als unproduktive Tätigkeit betrachtet wird. Das klingt roh und wahnwitzig, entspricht aber genau der Roheit und dem Wahnwitz der heutigen kapitalistischen Wirtschaftsordnung, und diese rohe Wirklichkeit klar und scharf zu erfassen ist die erste Notwendigkeit für die proletarischen Frauen«
– eben weil bei denen der Unterschied zwischen produktiver und unproduktiver Arbeit längst praktisch zum Kippschalter wird, insofern nämlich der große Bedarf an Lohnarbeit, der in dieser nach der Industrialisierung zweiten großen Anschubphase der kapitalistischen Produktivitätsexplosion noch herrscht, nicht nur Landleute in die Stadt saugt, sondern auch Frauen aus der Küche in die Fabrik. Beides kann das Kapital
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