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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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zurückkehrte; wenn auch zumeist eher in Gestalt von Burlesken. Kurz nach der Thronbesteigung des Restaurationskönigs Charles II. hatten die Theater unter den neuen Bedingungen wiedereröffnet, Frauen spielten jetzt Frauenrollen, und ein »Zeitstück« war fast zwangsläufig eine erotische, aber auch politische Intrigenkomödie.
     
    Wie wir im vorigen Kapitel aus Anlaß des Schicksals von Olympe de Gouges und ihrer Feminogironde schon erwähnt haben, erscheint es Leuten, die eine identitäre Emanzipationspolitik vertreten, häufig nicht rätlich, den Autoritäten in mehr als dem einen Punkt entgegenzutreten, den sie durchsetzen wollen – so war Olympe de Gouges Feindin Robespierres, und Aphra Behn, die dafür lebte und arbeitete, die überkommenen Naturcodefesseln ihres Geschlechts abzustreifen, war treue Royalistin und Absolutistin, die zwar von den allgemeinen, durch die Rechte, welche das Bürgertum dem Adel abrang, geöffneten Spielräumen profitierte, sich paradoxerweise aber gegen ebenjene Bürger wandte, weil das prekäre Patt der die Gesellschaft im großen Ringen transformierenden Kräfte, zwischen dessen Vektorpfeilspitzen das oppositionelle Kulturschaffen in allen Epochen besser gedeiht als in eindeutig parteilicher, und sei’s umstürzlerischer Konstellation, nur von Seiten des Königshauses garantiert werden konnte. Dazu kam, daß das radikale Bürgertum seinem Arbeitsethos entsprechend – und aus berechtigtem Haß auf die sadomasochistische Herrschafts-und-Unterwerfungs-Erotik adliger Libertins – stark disziplinargesellschaftliche Neigungen hatte und das Sexuelle, also das Persönliche, unter Verschluß hielt, das für Leute wie Behn gerade die Schnittstelle zwischen ihren Autonomiesehnsüchten und ihren Kulturchancen bildete. So war denn ihre Literatur, ohne bürgerlichen Aufbruch unmöglich, schon so antibürgerlich wie späterhin das Treiben der Boheme, und ihre antipuritanischen Dramen machten ihren Namen nicht nur Landpfarrern, sondern auch Pfeffersäcken unangenehm. Den größten Ruhm erntete sie mit The Rover von 1677, der Geschichte des Rauhbeins und Herzensbrechers Willmore und seiner stürmischen Liebe zur selbstbewußten Hellena, die folgenlose Freuden sucht, aber statt dessen Katzbalgerei und Verwechslungsexzesse erlebt – man spielt miteinander, verwechselt einander, die Frauen ziehen Hosen an oder verkleiden sich als Wahrsagerinnen, Handlesekunst und andere Körperdeutereien werden durchdekliniert.
    Das Arrangement verrät überall sowohl die souveräne, ironische Übersicht der ehemaligen Geheimagentin wie auch die formbewußte Leidenschaft der Lyrikerin. The Rover wird von Literarhistorikern gelegentlich als bloße Bearbeitung, ja Plagiat eines Zehnakters von Sir Thomas Killigrew bezeichnet, die signifikanten Veränderungen der Abläufe, der Figuren – vor allem der Frauenrollen – und des Tonfalls aber, die Behn am »Original« vornahm, machen diese Einordnung nicht weniger lächerlich als die Behauptung, die Fernsehserie Dallas beruhe auf geschickten Diebstählen bei Balzac.
     
    Die Zeitumstände der Entstehung von Behns Dramen blieben ihrerseits durchweg dramatisch: Gesellschaftliche Spannungen im Gefolge der weitverbreiteten Angst, der katholische Bruder des Königs könne die Thronfolge antreten, führten zu Hysterien wie der um den Popish Plot 1678, eine angebliche Katholikenverschwörung thronräuberischen Ausmaßes – im Prolog eines Stücks von Behn heißt es bedauernd, all diese neumodischen Verschwörungen würden die Leute in unangemessener Weise vom Theater ablenken.
    James, Duke of York, der katholische Königsbruder, der von den antikatholischen Gerüchten an der Thronfolge gehindert werden sollte, war Schutzherr der Theaterbühnen, an denen Behns Stücke aufgeführt wurden; deren Verweigerung jeder antikatholischen Zeitstimmung aber war kein »Wes Brot ich eß«-Opportunismus, sondern Ausdruck von Behns Überzeugung, daß der Krämergeist der Whigs dem höfischen Leben mit seinen erotischen und politischen Möglichkeiten den Garaus machen wollte und man das verhindern mußte. 1684 veröffentlichte sie die Love Letters between a Nobleman and his Sister , einen Brief-Schlüsselroman über einen aktuellen Whig-Skandal, und als James nach dem Tod Charles’ 1685 gegen den Widerstand der Antikatholischen wirklich König wurde, jubelte sie.
    1687 schließlich fand die Uraufführung von The Emperor of the Moon statt, neben Mary Shelleys späterem Frankenstein ein

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