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Der Implex

Der Implex

Titel: Der Implex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Barbara; Dath Kirchner
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anders nicht aufnehmen und gerecht behandeln müßte. Wir sind reich genug.
VIII.
Love Song for Aphra Behn: Ein biographischer Exkurs
    Als Enkomiastin des Afrikanerhäuptlings hat Behn genau besehen daher auch nicht ein Plädoyer dafür geschrieben, die Spitzen der Gesellschaft der Wilden dazu einzuladen, bei den Zivilisierten charakterlich-seelische Entwicklungshilfe zu leisten, wie sie das Klischee der sehr viel späteren nostalgie-de-la-boue- Kunst von der impressionistischen Südseemalerei bis zu Mays Winnetou transportiert, als vielmehr mit Oroonoko eine phantastische Reflexionsinstanz für die liberale Subjektkonstitution jener Bürgerklasse geschaffen, der sie selbst angehörte. Behn war eine stolze, geistreiche Frau, und weil Frauen in vorbürgerlichen Zeiten so nicht sein sollten, bediente sie sich der Fiktion eines stolzen, geistreichen Außerbürgerlichen, um darauf zu insistieren, daß das, was nicht sein soll, dennoch sein könnte. Ein Exkurs über Leben und Werk dieser Frau, den wir hier einschieben wollen, ersetzt unserer Meinung nach lange Meditationen darüber, was für eine Sorte Mensch das ist, die freie Menschen unter Bedingungen aussichtsreicher Emanzipationsbewegungen träumen und ihre unfreien Menschen auf diese Weise für die Sache der Freiheit begeistern kann. Die folgende Abschweifung sei uns also als Vertiefung ins Problem gedacht, wie die Privilegierten dazu gebracht werden können, an der Brechung sozialer Hierarchien mitzuwirken und den Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit zu fördern.
     
    Als Lyrikerin, die Frauen und Männer gleichermaßen zu bedichten wußte (»All trembling in my arms Aminta lay, / Defending of the bliss I strove to take, / Raising my rapture by her kind delay, / Her force so charming was and weak«) 62 wußte sie genug darüber, wer sie sein wollte, schrieb von gegen- wie gleichgeschlechtlicher Sehnsucht, aber auch von Impotenz und Vergewaltigung und nutzte die im komplizierten England des siebzehnten Jahrhunderts allerwege aufbrechenden Spielräume der privaten wie der öffentlichen Politik, sich zu erfinden und zu behaupten, zwischen republikanischem Interregnum, monarchischer Restauration und – vor allem kolonialem – Handelsabenteuer. Die kulturelle Membran zwischen diesseitigem höfischem Machiavellismus und einem jenseitig-verfeinert-verspielten, modern lebensästhetischen Feenreich der erotischen Intrige war dünn wie selten irgendwann irgendwo anders.
    Ein vom Charme der dadurch ermöglichten Künste eher vergrätzter als bezauberter, höchst widerwilliger Bewunderer der Schönheit von Liedern wie ihren, der züchtige Bischof Burnett, den wir oben schon Geifer spucken ließen, hat diesen Liedern 1682 in einem Brief an eine gemeinsame Bekannte nachgerühmt, sie seien durchaus nicht selten »sehr zart«, der Zusammenhang zwischen Regelverletzung und Verfeinerung, also Ausarbeitung neuer Regelsysteme, war den Reaktionären damals klarer als 1968 den Kulturrevolutionären.
    Die feudale Ordnung jedenfalls, die biologisch-theologischen Geblütsrechtfertigungen, die den Adelsprivilegien so unverzichtbar waren wie seither jeder sexistischen oder rassistischen Unrechtsaffirmation, war fadenscheinig genug geworden, daß man im nachhinein nicht einmal ermitteln kann, ob Aphra Behn, 1940 als Aphra Johnson unweit von Canterbury geboren, selbst von hohem oder niederem Stand war – die Mutter jedenfalls diente als Amme einer nichtadligen, aber in dieser Aufstiegsära der Bürger hochangesehenen Familie namens Culpepper aus Kent. Neun Jahre war sie alt, als König Charles I. 1649 hingerichtet wurde und der »Lord Protector« Oliver Cromwell seine Commonwealth-Republik ausrief. Mit Anfang Zwanzig bereiste sie, vermutet man, mit ihrer Familie Surinam und machte dort jene Erfahrungen, die sie später in Oroonoko literarisch verarbeitet hat. Wenig später, nach Europa zurückgekehrt, heiratete sie einen holländischen – vielleicht auch deutschen – Herrn namens Behn, dessen Nachnamen sie berühmt machte und der während der Pest von 1665 gestorben sein soll.
    Behns zweiter Mann war ein Abenteurer, sie selbst diente Charles II. als Spionin, überstand Dreck, Hunger, Krankheiten und brachte es schließlich als Theaterautorin zu Erfolg und Vermögen. Das erste ihrer fast zwanzig Theaterstücke, The Forced Marriage , war eine Tragikomödie, zu deren Titelthema sie den Zeitumständen und ihren besonderen emanzipatorischen Bestrebungen entsprechend immer wieder

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