Der Implex
cetera abgesichert sein sollte, erwies sich aber in ihrer ersten aus den unterschiedlichsten realpolitischen und propagandistischen Gründen diskutierten und forcierten Krise als etwas, das sich auch vom rotgrünsten Staat nicht gegen gesellschaftliche Kräfte durchsetzen ließ, deren Interessen auch sonst vom Arbeitsmarkt bis zur Stadtplanung den Ton angeben.
Der Versuch fürsorglicher linker Repräsentationsspezialistinnen und -spezialisten, die Angelegenheit als Kulturkampf des Kosmopolitismus auszutragen, gegen allerlei Leitkulturpappkameraden, welche die Rechte auch bald bereitwillig aufstellte, wurde schließlich von geschickteren und zeitgemäßeren Rechten mit einer kulturalistischen Generalüberholung rassistischer Ideologien beantwortet; wenn die Gene denn nicht schuld sind an der Unruhe in den Problemvierteln und Banlieues, dann ist es eben der Islam, irgendwas paßt immer, Ideologien sind selten wegen Umbau geschlossen, und daß man da, wo die Leute keine Perspektiven haben, genügend Atavismen findet, um abermals seufzend the white man’s burden auf sich zu nehmen, die Barbaren zivilisieren zu müssen, ist weniger der Rede wert als die erstaunliche Tatsache, daß unter Massenmedienbedingungen Ungleichheitsmuster wie Rassismus und Sexismus offenbar historisch denken lernen, nämlich selbstreflexiv werden nach Art dessen, was wir »Rassismus und Sexismus zweiter Ordnung« nennen wollen, und was etwa so funktioniert: »Die klassischen Rassisten sagen ja, die Fremden seien schlechte Menschen, so einer bin ich natürlich nicht, aber das darf nicht heißen, daß ich sie nicht kritisieren darf« – und dann kommt alles das, was der klassische Rassist dumpf fühlte, als Ergebnis schmerzhafter Denkprozesse verwandelt, geadelt und als Unterfütterung derselben alten Erziehungs- und Aussonderungspropaganda, aber frisch wie am ersten Tag, ans Debattentageslicht.
Rassistische Ordnungen, Raub- und Feldzüge des Unrechts, der Ausgrenzung, Unterdrückung, Ausbeutung sind in Praxis und Hexis kanalisierte menschliche Verhaltensweisen, koordiniert über rassistische Kommunikation, die dialektische Interpenetrationen von einerseits naturwüchsigen und andererseits gesellschaftlich produzierten Identitätsbestimmungen vereindeutigt und auf Sortierschemata reduziert, die von angrenzenden ethnischen, klassengegliederten, religiösen, sexuellen, kulturellen, nationalen, biologischen Differenzen stabilisiert werden können. Eine davon herauszugreifen und für zentral oder völlig vernachlässigbar zu halten, wäre so dumm, wie die Bürger gewesen wären, wenn sie sich im Emanzipationskampf gegen den Adel nur »materialistisch, ökonomistisch« um den Freihandel oder »idealistisch, semiotisch« um die Religionskritik gekümmert hätten. Auf die Erzeugung von politischem Druck zur Durchsetzung menschenwürdiger Behandlung der vom Unrecht rassistisch Markierten wird Solidarität so wenig verzichten wollen wie auf das Studium des ideologischen Koordinationskleisters, auf Bücher wie Vijay Prashads The Darker Nations sowenig wie auf Theodore W. Allens The Invention of The White Race oder Nell Irvin Painters The History of White People .
Wo die alte, vorhandene, falsche Ordnung Risse hat, wird das Brecheisen mit dem spitzen Ende angesetzt; wo ihr materielle und, auf diesen notwendig aufsitzend, kommunikative Dispositive implizit sind, die ihr Anderswerden erlauben, werden sie explizit gemacht – so erzielt Emanzipationspolitik Ergebnisse.
Aufmerksame Pessimistinnen werden uns an dieser Stelle an unsere oben entdeckte, traurige Gesetzmäßigkeit in Erinnerung rufen wollen: Erfolgreiche Emanzipationsbewegungen neigen dazu, die mit ihren Siegen erzielten Platzvorteile vor weniger glücklichen Abhängigen, Unterdrückten, Ausgeschlossenen zum Ausbau des Abstands zu nutzen.
Wir haben das nicht vergessen.
Aber es gibt auch andere als erfolglose Emanzipationsbewegungen, und sie sind, solange die Menschheit nicht als freie und mit, soweit es die Natur der Dinge statt nur die der sozialen Verhältnisse zuläßt, gleichen Chancen für alle versehene konstituiert ist, die Mehrheit: die Geschlagenen, die Unvollendeten.
Marx war ein liberaler Bürger; das Proletariat als Bundesgenossen und Subjekt neuer Befreiungskämpfe entdeckte er systematisch erst, als seine liberalen bürgerlichen Hoffnungen in Deutschland zerschlagen waren. Die soziale Realität des arretierten Fortschritts zwingt dazu, die wechselseitige Abhängigkeit
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