Der Implex
Indianer, und wenn man gerade glaubt, Hollywood und seine Kolonien hätten solche Unsitten inzwischen abgestreift, erkennt man, daß in letzter Zeit, das heißt seit das WTC-Attentat und die übrigen Anschläge vom 11. September 2001 den »Clash of Civilizations« zum kulturindustriellen Thema gemacht haben, vermehrt Leute indischer, pakistanischer, britisch-kolonialer Herkunft, deren Äußeres für weicher und dem kaukasischen näher erachtet wird, sympathische arabische Menschen spielen (etwa in der Serie Lost oder in Julian Schnabels Palästinadrama Miral von 2010). Der im Kino zu dem Zeitpunkt, da wir dies schreiben, kommerziell erfolgreichste Film aller Zeiten, James Camerons Avatar , tischt seinem Weltpublikum die Geschichte von den blauhäutigen Aborigines einer unberührten Welt auf, mit der sie, wie die alte Hippieformel säuselt, »im Einklang« leben, bis der rohstoffräuberische Kolonialismus mit Flammenwerfern, Raketen und Bodentruppen einfällt; der Fachmann Professor Paul Frommer von der University of Southern California hat für Cameron die Sprache der Wilden erfunden, die den fiktiven Mond Pandora bewohnen, während auf der Erde die Hälfte der 6.500 Sprachen, die Menschen heute noch sprechen, bis zum Ende des 21. Jahrhunderts verschwunden sein werden (der letzte, der noch Bo beherrschte, einen Dialekt, in dem einst die Leute auf den Andamaninseln in der Bucht von Bengalen miteinander redeten, starb, als Camerons Film die Kassen zu füllen anfing).
Daß die Geschichte von den Waldmenschen, die ihre Bodenschätze vor dem Zugriff der Herrenmenschen mit Waffengewalt bewahren, zahlreichen dem Opus äußerlich applizierten Anspielungen auf die jüngsten Irak- und Afghanistanfeldzügen zum Trotz eine reichlich altbacken-durchgekaute Anmutung abstrahlte, fiel in der Öffentlichkeit zumindest denen auf, die sich von der 3-D-Technik des Films nicht um ihr Unterscheidungsvermögen hatten bringen lassen, in der Tat knirschen die narrativen Gelenke von Avatar nicht zuletzt deswegen, weil die Gratiskritik an der neuen Weltordnung sich mit der großzügig beliehenen Anti-Vietnamkriegs-Science-fiction der sechziger und siebziger Jahre (unmittelbares Vorbild von Camerons Film dürfte Ursula K. Le Guins antikolonialistische Ethno-Parabel The Word for World is Forest von 1972 gewesen sein) so schlecht legieren lassen mochte, wie wiederum beide der noch wesentlich älteren rousseaunischen Mythopoesievom edlen Wilden schlecht und schief aufhocken.
Für den Kulturkreis, in dem die Losung der white man’s burden erfunden wurde und die zwischen dem britischen und dem nordamerikanischen Imperialismus für einige der geschichtsmächtigsten Ausprägungen des Rassismus verantwortlich ist, hat diese Mythopoesie sehr früh innerhalb der neuzeitlichen Vernunftgeschichte eine für mehrere Jahrhunderte (genau diejenigen nämlich, die das umfassen, was wir neuzeitliche Vernunftgeschichte nennen) genreprägende Gestalt in einem Buch gewonnen, das William C. Spengemann seines Schauplatzes wegen »the earliest American Novel« 57 genannt hat. Virginia Woolf war der Meinung, »all women together« seien verpflichtet, der Autorin jenes Buches Blumen aufs Grab zu werfen, denn mit ihr »begins the freedom of the mind, or rather the possibility that in the course of time the mind will be free to write what it likes«. 58 Vita Sackville-West nannte sie »a lovable creature, a born bohemian«, 59 und von der Gegenseite bekam sie eine Sorte Haß ab, die unter den Auszeichnungen und Ehrungen ihres mutigen Lebens nicht die ärmlichste ist: Ein Bischof namens Burnett etwa fand sie »abominably vile«, ein Ungeheuer, das Religion und Tugend auf eine Art und Weise verhöhnt habe, die man nur »odius and obscene« finden könne. 60
Diese Urteile, im Kontext und im Blick auf die Menschen, welche sie abgaben, charakterisieren die Dichterin Aphra Behn hinreichend; ihren Helden, den stattlichsten edlen Wilden der englischsprachigen Literaturgeschichte, charakterisierte sie selbst ebenfalls eindeutig:
»I have often seen and convers’d with this great Man, and been a Witness to many of his mighty Actions; and do assure my Reader, the most Illustrous Courts cou’d not have produc’d a braver Man, both for Greatness of Courage and Mind, a Judgment more solid, a Wit more quick, and a Conversation more sweet and diverting. He knew almost as much as if he had read much: He had heard of, and admir’d the Romans; he had heard of the late Civil wars
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