Der Implex
einzupauken berufen sei.
Über diese offenkundigen, in Zuständigkeitsstreitigkeiten und Kompromißverhandlungen wie den angeführten selbst oft ideologiekritische Effekte freisetzenden Differenzen hinaus, die zwischen einerseits einer Lehre bestehen, die aus dem transzendentalen Ursprung der Welt oft genug abgeleitet hat, man solle sich in ihr nicht dadurch der Hybris schuldig machen, daß man an ihrem Zustand allzuviel zu ändern sich vermißt, und andererseits einer anderen, die geradezu als der systematisierte Inbegriff dieser Hybris gelten muß, muß die Ideologiekritik der gröberen Science Studies sich die Nachfrage gefallen lassen, ob sie es mit ihrer wissenssoziologischen Perspektive eigentlich ernst genug meint, wenn sie mißachtet, daß die Abhängigkeit der mittelalterlichen Theologie von der Feudalität (und zuvor der spätantiken von der Sklaverei) eine gewesen ist, in der Machtausübung und -verweigerung zwischen Gehorsam und Investiturstreit, zwischen Thron und Altar, Ablaßhandel und Reformation genügend Hinweise darauf liefern, daß ein im engsten Sinn politisches Phänomen vorliegt, während die Wirksamkeit der kapitalistischen Verwertungsgesetze in der modernen Wissenschaftssphäre ja gerade nicht politisch kodifiziert ist, sondern Sache der die Forschungspraxis von Anfang an durchdringenden Hexis, und daher selbst zu Zeiten, zu denen irgendwelche Forscher einer konkreten Regierung der kapitalistischen Welt irgendwelche Schwierigkeiten gemacht haben, niemand ein Problem darin sah, die Geltung des Profitimperativs den Forschern etwa auf politischem Gewaltweg beizubringen – wer unbehelligt etwas, das keinen Gewinn abwirft, erforschen will, muß trotzdem Brötchen kaufen, wie eine »wissenschaftliche Gegensouveränität« aussehen könnte, ist gar nicht so leicht vorstellbar, wenn man systemtranszendierende Begriffe wie den geplanten Sozialismus vermeiden will, der Vatikan oder seine Inquisition aber haben im Mittelalter ihre eben nicht (wie bei der Forschung) produktionslogische, sondern politische Autonomie mit denselben Mitteln behauptet wie jedes andere entsprechende politische Gebilde der Feudalzeit.
Wie die Dinge liegen, verblüfft daran, daß die Verwertungsinteressen nicht den Aufbau der Wissenschaften selbst und ihr Tagesgeschehen strukturieren, sondern das zulassen, was die Theorie sozialer Systeme ein ausdifferenziertes Wissenschaftssystem nennt, vor allem der Umstand, daß das Profitsubjekt ansonsten doch, wie wir mehrere Kapitel lang gezeigt haben, bei der Unterwerfung und ihm adäquaten Zurichtung des mit ihm selbst Nichtidentischen (also der lebendigen Arbeit, der menschlichen Reproduktion und ihrer Geschlechterdynamik, der außereuropäischen Menschen und ihrer Lebensweisen wie überhaupt nicht- oder vorkapitalistischer sozialer Daseinszusammenhänge) alles andere als zimperlich ist. Aus humanistischem Aufklärungsethos hat es jedenfalls noch keinen Gewaltakt unterlassen, und daß er ausgerechnet die Wissenschaft zu subsumieren und zu subordinieren vergessen haben soll, wo doch selbst in der Unterhaltungssphäre die Produktwerbung und der Konsumanreiz alles strukturiert und markiert, was überhaupt Verbreitung findet, berührt merkwürdig, wenn man es ohne Rekurs auf das, was Wissenschaft inhaltlich ist, tut, behauptet oder begreifen will. Sind die Kapitalisten so ehrfürchtig dem Innovationsfetisch gegenüber, den die Forschungspriesterschaft sie anzubeten gelehrt hat; heißt der wahre Prophet der Neuzeit Joseph Schumpeter, und ist die »instrumentelle Vernunft« des Ingenieurswesens am Ende das, was Max Weber von der protestantischen Ethik gemutmaßt hat: die ideelle Möglichkeitsbedingung des Kapitalismus?
III.
Des Rätsels Lösung: Natur ist zwecklos
Wir mögen die Wortschöpfung »instrumentelle Vernunft« nicht sehr.
Ein bißchen riecht sie nach Weihrauch, das heißt nach einer Tautologie, die ihre Banalität mittels Moralbeimengung für Tiefsinn ausgibt, »unnütze Phantasie« wäre dann die Retourkutsche: Was soll denn Vernunft sonst sein als erstens ein Instrument des Überlebens und womöglich minimal leidvollen, maximal lustbringenden Existierens, und wie sonst soll sie ihre Aufgabe erfüllen, als indem sie etwas, das sie nicht selbst ist, dafür instrumentalisiert? Wie bei einer Sexualmoral, die moniert, daß Lust von Menschen auf Menschen die Begehrten »zum Objekt erniedrigt«, anstatt die entscheidende Frage darin zu sehen, ob jene einwilligen und was sie
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