Der Implex
dafür zurückbekommen – Begierde, die nichts zum Objekt hat, ist sowenig denkbar wie ein Gedanke, der nicht Gedanke an etwas ist (selbst wenn dieses Etwas »das Nichts« ist) –, will die pejorative Formel von der »instrumentellen Vernunft« dem Vernunftgebrauch etwas vorwerfen, dessen restlose Beseitigung ihn beenden würde. Anstatt ruhig und deutlich darauf zu bestehen – was wir enthusiastisch begrüßen würden –, daß es außer Vernunft noch etwas anderes gibt und geben soll, etwa ästhetische oder spekulative oder entrückte Erfahrungen, wird die Vernunft madig gemacht, wo sie sich von jenen unterscheidet und also ihr proprium finden muß. Entgegnet werden muß darauf nicht viel mehr, als daß ästhetische und spekulative und entrückte Erfahrungen, so wertvoll sie sind, historisch schon allein deshalb wesentlich häufiger Vehikel von Ideologie und Ressourcen der Herrschaftsrechtfertigung gewesen sind als Newtons Mechanik, die Theorie des Ammoniakgleichgewichts, die Strömungsdynamik oder sonst irgend etwas aus den Wissenschaften, aber auch wieder nicht deswegen, weil jene nun ihrem Wesen nach blütenrein und vor lauter Objektivität nicht schuldfähig sind, sondern aus dem einfachen Grund, daß es so etwas wie Wissenschaften noch nicht lange genug gibt, als daß sie es mit der Jagdstrecke etwa der Religionen aufnehmen könnten. Vor der Indienstnahme durch Herrschaft ist überhaupt nichts gefeit, was Menschen tun, solange es Herrschaft gibt, die interessante Frage ist nur, ob es, nur weil es immer Herrschaft gab, notwendig immer Herrschaft geben muß.
So illusionslos man also im Hinblick auf die Frage sein sollte, ob Wissenschaft in Gesellschaften, wie wir sie kennen, unbefleckt von Interessen bleiben kann, so sehr wurzelt die Wissenschaftsautonomie im entwickelten Kapitalismus (nach dessen denkbarem Verschwinden sich, cave canem, auch wieder jede Menge wesentlich schlechterer Gesellschaftsformen denken und machen lassen, in denen sie wieder verschwände), die man in noch so komplexen ideologiekritischen Modellen wie gezeigt gar nicht so einfach und jedenfalls kaum schlüssig erklären kann, wenn man sich zwingt, die Wissenschaften allein für Formen gesellschaftlich notwendigen falschen Bewußtseins zu halten, in etwas nicht allein Historischem, sondern Logischem: Wissenschaftliche Aussagen, die in ihrer sozialen Funktion aufgingen (ob sie nun wahr oder falsch wären), sind unmöglich, da Aussagen dieser Art keine wissenschaftlichen wären, weil sie aus Zwecken kommen, die man vorher weiß, die Wissenschaft aber nach Dingen sucht, die man vorher nicht weiß.
Die von Bacon bei seiner methodologischen Grundlegung all dessen, was die Neuzeit unter Wissenschaft versteht, konstatierte Sinnwidrigkeit der allein »auf Werke gerichteten Wissenschaft«, das heißt einer Wissenschaft, die sich beispielsweise mit Ideologie (falsche Aussagen zu Zwecken des social engineering) oder aber auch mit Technik (richtige Aussagen zu Zwecken der sozialen Erzeugung) verwechselt, liegt in der Sache selbst begründet – Bacon, ganz ähnlich wie später, oben zitiert, Ostwald, über Technik: »Hinsichtlich seiner Werke vermag der Mensch nichts anderes, als daß er die von der Natur gegebenen Körper einander näherbringt oder sie voneinander entfernt, das übrige vollendet die Natur von innen her«, 69 und ebendieses »von innen her« zu verstehen, ist Wissenschaft, Verknüpfung von Beobachtung und logischem Schluß (die Frage, die den Wiener Kreis und Popper einander entfremdet hat, wie es dabei mit der Hypothesengeleitetheit steht, stellt sich hier gar nicht, die Unterscheidung zwischen sozusagen interesseloser und interessierter Induktion interessiert erst, wenn man den prinzipiellen Unterschied zwischen dem Technischen und dem Wissenschaftlichen schon begriffen hat). Daraus folgt interessanterweise für Bacon auch, daß rein deduktives Schließen ebensowenig zur Wissenschaft gehört wie das trial and error des Tüftlers, dem der Mathematiker damit gleichgestellt ist, in Äquidistanz zur eigentlichen Forschung: »Der Mechaniker, Mathematiker, Arzt, Alchimist und Magier«, 70 sagt Bacon, sind auf Erzeugnisse aus (auch die Lösungen komplexer, aber gegen Beobachtungen gleichgültiger Gleichungssysteme sind »Werke«, diese »scheinen nach den Büchern und Werkstücken sehr zahlreich zu sein, aber all diese Vielfalt beruht nur auf außerordentlichem Scharfsinn und auf Ableitungen aus wenigen uns bekannten Dingen; nicht
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