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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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griff Vikram nach dem Gegenstand, den Anuprabha ihm gezeigt hatte. Aus der Ferne konnte Amba nicht genau erkennen, um was es sich handelte, aber es erinnerte sie an das winzige Schmuckkästchen, das ihrer Mutter einst gehört hatte. Sie beschloss, sich das Stück aus der Nähe anzusehen – in diesem Fall war ihre Neugier stärker als ihr Respekt für die Privatsphäre ihrer Dienerschaft.
    »Vikram«, sagte sie und tätschelte dem Jungen den Kopf, »hältst du Anuprabha schon wieder von der Arbeit ab?«
    »Nein, Ambadevi. Sie hat mir dieses Kästchen gezeigt. Man kann darin seine Milchzähne aufbewahren. Sie sagt, ich bräuchte auch so ein kleines Kästchen.«
    »Aber deine Milchzähne sind doch fast alle schon ausgefallen.«
    »Ja, Ambadevi, aber ich habe sie noch. Sie sind in einem Geheimversteck.«
    »Na, dann lass sie mal lieber dort. Da sind sie bestimmt sicher – auch ohne so ein Kästchen. Und jetzt ab mit dir, Anuprabha hat noch zu tun.«
    Der Junge nickte und lief davon.
    Amba wandte sich Anuprabha zu, die eine schuldbewusste Miene aufsetzte. »Ich wollte nicht …«
    »Schon gut, du hast nichts falsch gemacht. Aber ich wollte dich bitten, mir dieses Kästchen zu zeigen. Es erinnert mich an etwas.«
    Schweigend reichte das Mädchen ihr den Gegenstand. Anuprabhas Herz klopfte heftig. Dass Makarand die winzige Schatulle gestohlen hatte, war ihr gleichgültig. Aber wenn er sie von Amba gestohlen hatte? Dieser Schwachkopf! Er würde sie alle ins Unglück stürzen! Herrje, sie hätte das Geschenk nie annehmen dürfen – wenn Amba sie nun für eine Diebin hielt und sie fortjagen würde?
    »Woher hast du das?«, fragte ihre Dienstherrin nun.
    »Makarand hat es mir geschenkt.«
    »Er macht dir schöne Geschenke. Willst du ihn nicht bald erhören? Ich finde, er sieht von Tag zu Tag besser aus. Und er ist schlau. Er wird seinen Weg machen, und er wird dir ein gutes Leben bieten können.« Amba wusste, dass sie vom Thema ablenkte. Der Anblick des Kästchens hatte sie verwirrt, und das wollte sie sich keinesfalls anmerken lassen. Hier in Goa hatte sie nie ein derartiges Stück gesehen. Soviel sie wusste, handelte es sich um eine Silberschmiedearbeit, für die ihre einstige Heimat berühmt war. Deshalb sah das Kästchen, das ihrer Mutter gehört hatte, diesem hier ganz ähnlich. Aber wie war eine solche Rarität in Makarands Hände gelangt? Sie würde mit dem Jungen reden müssen.
    »Nein«, sagte Anuprabha.
    »Nein was?« Amba war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie die Anwesenheit des Mädchens fast vergessen hatte.
    »Nein, ich will ihn nicht bald erhören. Es sei denn, Ihr würdet ihn zu meinem Gemahl bestimmen. In diesem Fall würde ich natürlich gehorchen.«
    »Wir werden sehen«, sagte Amba geistesabwesend. Im Augenblick gab es Wichtigeres als die amourösen Verwicklungen ihrer Dienerschaft. »Jetzt schick mir erst einmal Makarand her.«
     
    »Ja, Ambadevi?« Der Junge machte eine dienstbeflissene Miene. »Ihr benötigt meine Dienste?«
    »Nicht direkt, Makarand. Ich benötige vielmehr eine Information.«
    »Ja, Ambadevi?«
    »Woher hast du das Silberkästchen, das du Anuprabha geschenkt hast?«
    Der Junge wurde blass. »Ich habe es gekauft, ich schwöre es.«
    »Es muss sehr teuer gewesen sein. Hast du Nayana und Chitrani so dreist betrogen, dass du dir solche Kostbarkeiten leisten kannst?«
    »Nein. Es war nicht so teuer, wie es aussieht. Der Dummkopf, der es mir verkauft hat, wusste wahrscheinlich nicht um den Wert des Stücks. Es war natürlich auch nicht billig, aber für Anuprabha habe ich gern meine gesamten Ersparnisse ausgegeben.«
    »Du liebst sie wirklich, oder?«
    »Ja, Ambadevi.«
    »Wirst du sie auch noch lieben, wenn sie dir mehrere Kinder geboren hat, wenn sie dick wird und an dir herumnörgelt, weil du nicht genügend Geld nach Hause bringst?«
    »Wenn sie mir Söhne geschenkt hat, werde ich sie nur noch mehr lieben. Und die Nörgelei, die kenne ich ja schon, die macht mir nichts aus. Ich würde mir eher Sorgen machen, wenn sie nicht an mir herumkritteln würde.«
    Amba musste wider Willen lachen. Makarand legte zuweilen eine Weisheit an den Tag, wie sie für einen Jungen seines Alters ungewöhnlich war. Dann wieder benahm er sich wie der typische Halbstarke, der davon überzeugt war, alles würde nach seinem Willen passieren und die Welt wäre ihm untertan.
    »Und wenn sie dir Töchter schenkt?«
    Makarand wusste, dass er vorsichtig sein musste. Natürlich wäre er über Töchter

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