Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
Vom Netzwerk:
Verlegenheit und Hochstimmung zugleich.
    Sie ließen sich durch die großen Straßen mit den vornehmen Geschäften tragen, vorbei an unzähligen Kirchen und Baustellen von neuen Gotteshäusern. Auf dem Hauptplatz im Zentrum bauten Arbeiter gerade eine Art Tribüne um einen Holzstapel herum auf. »Ein Scheiterhaufen«, flüsterte Makarand seiner Angebeteten ins Ohr, »da wird wohl bald ein Ketzer verbrannt.«
    Anuprabha wurde von einer prickelnden Erregung erfasst. Keine zwei Minuten später lenkte die Auslage eines kleinen Juweliergeschäftes ihre Aufmerksamkeit auf wichtigere Dinge als die bevorstehende Hinrichtung. »Oh, Makarand, können wir hier kurz anhalten und mal schauen, was der Mann verkauft?«
    »Nein«, sagte Makarand mit ungewohnt fester Stimme. »Den können wir uns nicht leisten.« Dass dies der Laden von Rujul und Ambadevi dort Stammkundin war, verriet er seiner Flamme nicht. »Nicht weit von hier gibt es ein paar Geschäfte, in denen du nach Herzenslust stöbern kannst. Dort kennt man mich, und man wird dich in aller Ruhe alles anprobieren lassen, auch wenn wir nachher gar nichts kaufen.« Makarand fand seinen Hinweis auf seine prekäre Geldsituation deutlich genug und hoffte, dass Anuprabha sie verstand. Er gab den Sänftenträgern Anweisungen, welchen Weg sie nehmen sollten. Doch kaum waren sie um die Ecke gebogen, als zwei Soldaten sie mit barschen Rufen zum Anhalten zwangen.
    »Aussteigen, alle beide!«
    Makarand und Anuprabha sahen einander ängstlich an. Die Träger hatten die Sänfte bereits abgesetzt, sie hatten es ziemlich eilig, hier fortzukommen. Sie forderten einen höheren Preis, als ursprünglich ausgemacht, schließlich seien solche Dinge geschäftsschädigend. Makarand war zwar die Lust aufs Feilschen gründlich vergangen, dennoch flüsterte er ihnen zu: »Passt nur auf, dass ihr nicht wegen Diebstahls gleich mitkommen müsst.« Er zahlte den anfangs verhandelten Preis, und die Träger suchten schnellstens das Weite.
    Was wollten diese Männer von ihnen? Sie hatten doch nichts Böses getan. Bestimmt handelte es sich um ein Versehen.
    »Ihr seid verhaftet.«
    »Wir haben nichts verbrochen!«, rief Makarand.
    »Das könnt ihr dem Gericht erzählen, wir haben nur den Auftrag, euch hinzubringen.« Die Soldaten fesselten sie an den Handgelenken und stießen sie unsanft in den Rücken. »Vorwärts, Ketzerpack!«
    Man brachte sie in ein Gebäude, das von innen noch düsterer wirkte als von außen. Es war nicht das Gericht, so viel wusste Makarand. Aber wo zum Teufel waren sie dann?
    Man ließ sie, von einem Soldaten bewacht, in der Halle warten. Die Wände waren mit Azulejos gekachelt, und die beiden Gefangenen studierten die weiß-blauen Szenen mit größter Besorgnis. Sie stellten Stationen aus dem Leben eines ihnen unbekannten Märtyrers dar, deren letzte den armen Heiligen zeigte, wie er einen Scheiterhaufen bestieg.
    Makarand fröstelte. Anuprabha verspürte das dringende Bedürfnis, Wasser zu lassen. Sie sprachen kein Wort miteinander.
    Schließlich, als ihre Beine von dem langen Stehen schon ganz taub geworden waren, holte man Anuprabha, um sie einer Befragung zu unterziehen. »Lasst mich mit ihr gehen, ihr Portugiesisch ist sehr lückenhaft, und ich könnte übersetzen«, flehte Makarand, doch sein Wunsch wurde ihm nicht gewährt.
    Der Wachposten lachte hämisch. »Glaubst du, die würden da drin viel reden? Was sie wissen wollen, sehen sie, wenn sie deiner Freundin die Kleider abnehmen.«
    Makarand war verzweifelt. Hätte er sich doch bloß nie auf diesen verfluchten Ausflug eingelassen! Seine geliebte Anuprabha wurde da drin von den dreckigen Fingern stinkender Portugiesen betatscht, und er wurde hier festgehalten und hatte keine Chance, ihr zu Hilfe zu eilen. Er zerrte an seinen Fesseln, doch der Wachmann schlug ihn so hart ins Gesicht, dass Makarand zu Boden fiel. Er spürte Tränen über seine Wangen laufen.
    In dem Befragungsraum stand Anuprabha derweil vor einem jungen Mann, der nicht so wirkte, als führe er Böses im Schilde.
    »Ihr seid nicht, wer Ihr vorgebt zu sein«, sagte er leise. Obwohl sie Portugiesisch mangels Übung nicht gut sprach, verstand sie es recht gut. Immerhin rannte sie seit Jahren jeden Sonntag in die Dorfkirche und heuchelte ziemlich überzeugend einen Glauben, den sie nicht hatte.
    Anuprabha zitterte am ganzen Leib. Wie hatte man sie so schnell entlarven können? Und wieso war das ein so schlimmes Vergehen, dass man dafür Soldaten schickte? Es war

Weitere Kostenlose Bücher