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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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warten? Aber nein, es kam gar nicht in Frage, dass sie ihre Pflichten vernachlässigte, nur weil ein draufgängerischer junger Portugiese ihr den Kopf verdreht hatte.
    Die Liebe, pah! Man brauchte sich nur Makarand anzusehen, um ihre übelsten Auswirkungen auf die Seele und den Verstand zu erkennen. Der Bursche, den sie als gewitzt und vorlaut kannte, begann in Anuprabhas Gegenwart zu stottern. Er bekam feuchte Hände und glühend rote Ohren, wenn er seine Flamme nur von weitem sah, und er machte sich, ohne es zu ahnen, zum Gespött aller. Und Anuprabha ließ ihn auch noch gewähren! Sie musste dringend einmal ein ernstes Gespräch mit dem Mädchen führen und ihm erklären, dass man keine falschen Hoffnungen wecken durfte. Anuprabha konnte Makarand nicht fortwährend zurückstoßen, aber all seine Geschenke annehmen und sich dieser auch noch brüsten. Sie stolzierte wie eine Prinzessin durch die Gegend, geschmückt mit Haarkämmen, Schmuck und Tüchern, die sie alle von Makarand bekommen hatte. Und der arme Junge sparte nicht eine einzige Paisa für sich selber – sein gesamter Verdienst floss in diesen Zierrat für Anuprabha.
    Gerade als Amba nach Jyoti klingelte, um sich einen Masala-Chai bringen zu lassen, flitzte der kleine Vikram durch den Garten. Er zog einen selbstgebauten Drachen hinter sich her, der aufgrund des schwachen Windes einfach nicht emporsteigen wollte. Der Junge ärgerte sich maßlos darüber. Er zerrte an der Schnur und rannte immer schneller, doch das Ergebnis war, wie Amba vorhergesehen hatte, dass der Drachen sich im Geäst verfing und nach einem kräftigen Ruck zerriss. Sogar das Holzkreuz, das der alte Dakshesh für das Kind mit dünnem Stoff bespannt hatte, zersplitterte, so wütend hatte der Junge an seinem Spielzeug gezerrt. Es vergingen ein paar Sekunden, in denen Vikram ungläubig den zerstörten Drachen anglotzte. Dann entdeckte er, dass er Zuschauer hatte, und begann laut zu plärren.
    Nayana war als Erste zur Stelle. Sie tätschelte dem Kind den Kopf und flüsterte ihm aufmunternde Worte zu, doch es nützte nicht viel. Dann erschien Makarand, ausnahmsweise einmal in normalem, aufgewecktem Zustand, und alberte mit den Überresten des Drachens herum. Immerhin gelang es ihm, Vikrams Geheule zu beenden. Schließlich kam auch Anuprabha in den Garten gelaufen. Sie nahm den Jungen in ihre Arme, und sofort legte sich ein Ausdruck von Glückseligkeit über das Gesicht des Kindes. Makarand stammelte ein paar blödsinnige Worte und sah Vikram an, als handle es sich um einen ernstzunehmenden Rivalen. Dann schlich er davon. Nayana verließ den Garten ebenfalls mit enttäuschtem Gesicht. Dass ihr geliebter kleiner Vikram ihre Liebkosungen nicht zu schätzen wusste und sich lieber in die Arme dieses Mädchens flüchtete, hatte sie zutiefst verletzt.
    Amba mischte sich nicht gern in die Angelegenheiten ihrer Dienerschaft ein. Aber diesmal fand sie, dass sie dem Spektakel ein Ende bereiten musste. Vikram wurde von allen viel zu sehr gehätschelt, er musste lernen, mit den Konsequenzen seines Tuns zu leben. Es war nicht gut, dass seine Zerstörungswut auch noch gefördert wurde, indem er jedes Mal anschließend getröstet wurde.
    »Anuprabha! Vikram! Kommt beide her.«
    Der Junge schaute schuldbewusst zu ihr herüber, auf Anuprabhas Gesicht schlich sich ein Ausdruck, der irgendwo zwischen gespielter Mütterlichkeit und scheinheiliger Unterwürfigkeit angesiedelt war.
    »Vikram«, sagte Amba streng, »ich habe beobachtet, wie du den schönen Drachen kaputt gemacht hast. Du warst ganz allein daran schuld, und deshalb wirst du jetzt auch ganz allein in den Baum klettern, die Überreste herausholen und damit zu Dakshesh gehen. Du wirst den alten Mann um Verzeihung bitten, dass du seine schöne Handwerksarbeit leichtfertig zerstört hast. Danach holst du dir den Abakus und machst die Rechenaufgaben, die ich dir schon vor drei Tagen aufgegeben habe.«
    »Ja, Ambadevi«, sagte Vikram zerknirscht.
    »Na los!«, forderte Amba ihn auf zu gehen. Er rannte, so schnell er konnte, davon.
    »Nun zu dir, Anuprabha. Den Schwächeren Trost zu spenden ist eine der vornehmsten Aufgaben einer Frau.«
    Anuprabha lächelte bescheiden und senkte den Blick.
    »Aber«, fuhr Amba fort, »geradezu unverzeihlich ist es, nur vorzugeben, man handle aus Barmherzigkeit, wenn man in Wahrheit nur darauf bedacht ist, einen schönen Schein von sich zu präsentieren.«
    »Wie …«, wollte Anuprabha sich ereifern, doch Amba stoppte

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