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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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zustimmend mit dem Kopf, obwohl es ihm natürlich lieber gewesen wäre, nicht als Freund, sondern als Galan betrachtet zu werden.
    »Ich denke, wir sollten die Abwesenheit Ambadevis dazu nutzen, uns einmal davonzustehlen und uns einen schönen Tag zu machen. Ich war noch nie in der Hauptstadt, weißt du.«
    Makarand war selig. Ein ganzer Tag mit Anuprabha! Dafür war er bereit, alle Regeln und Vorsichtsmaßnahmen über Bord zu werfen. Er wusste, dass Ambadevi es nicht wünschte, dass die Frauen und Mädchen sich in der Stadt blicken ließen. Aber sie würde ja nie etwas davon erfahren. Außerdem war er ja dabei, um Anuprabha vor all den Gefahren zu schützen, die dort angeblich lauerten.
    Wieder rollte er mit dem Kopf. Er war unfähig, einen Ton hervorzubringen. Er wischte sich die feuchten Handflächen an seinem
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ab.
    »Es wäre mir eine große Ehre und ein enormes Vergnügen, an deiner Seite die Stadt zu erkunden. Ich möchte mir so gern von dir die Orte zeigen lassen, an denen du die wunderbaren Geschenke für mich kaufst, oder die Orte, an denen man günstig einen kleinen Imbiss nehmen kann. Und dann würden wir, wenn wir uns die Füße wund gelaufen haben, ans Flussufer setzen, in den Schatten eines Mangobaums, und uns bei einem Schluck Kokoswasser erholen. Ach Makarand, wäre das nicht herrlich?«
    »Äh … ja.« Makarand fand, dass »herrlich« die Sache nicht annähernd traf. Es wäre paradiesisch! Dort, am Flussufer im Schatten des Baums, würde er seinen Arm um Anuprabha legen, und dann, wenn sie ihn gewähren ließ, würde er ihr einen Kuss rauben. Oh ja, und dann würde sie endlich begreifen, was er ihr alles zu bieten hatte, und sie würde …
    »Makarand?«, riss sie ihn aus seinen Phantasien.
    »Ja?«
    »Sollen wir es gleich morgen machen, da ist doch dein freier Tag?«
    Makarand brach nun am ganzen Körper der Schweiß aus, weil er sie zunächst missverstanden hatte. Mit »es« meinte sie natürlich den verbotenen Ausflug. Er bemühte sich um einen gelassenen Ton, als er antwortete: »Ja, von mir aus.«
     
    Am nächsten Morgen erwachte Makarand vor Sonnenaufgang. Er zog sich seine beste Kleidung an, dann rannte er ins Dorf, um einen Karren für sie zu organisieren. Er wollte Anuprabha einen unvergesslichen Tag bereiten, und dazu gehörte, dass sie ihre hübschen Füße nicht schon vor Eintreffen in der Stadt schmutzig machte oder wund lief.
    Als er mit dem Karren, der von einem klapprigen Ochsen gezogen und einem verschlafenen Bauernsohn gelenkt wurde, vorfuhr, stand Anuprabha bereits am Tor und erwartete ihn. Sie hatte ihr Festtagsgewand angezogen, sämtlichen Schmuck angelegt, den sie besaß, und ihre Augen mit Unmengen von Khol geschminkt. Der Bauernsohn erwachte angesichts dieser Erscheinung und bekam den Mund kaum wieder zu. Makarand war sehr stolz auf seine schöne angehende Verlobte – nicht ahnend, dass sie sich hergerichtet hatte wie einst bei ihren Auftritten. Sie sah aus wie ein billiges Tanzmädchen, aber für Makarand war sie die schönste und eleganteste Frau auf der Welt.
    Sie kletterten auf den Wagen. Makarand winkte den anderen Bewohnern ihres abgeschiedenen Idylls, doch Anuprabha zischte ihnen zu: »Ein Wort zu Ambadevi, und ich werde euch …« Dabei fuhr sie sich mit dem Daumennagel quer über den Hals.
    Der Wagen brachte sie bis zur Fähre. Die Überfahrt bezahlte Makarand. Am anderen Ufer angelangt, bat Anuprabha ihren Verehrer, eine Sänfte zu mieten. »Ich will nicht wie eine Bäuerin im Lehm herumstapfen.«
    »Aber die Straßen sind gepflastert«, wagte Makarand sich zu beschweren. Er würde die Sänftenträger tüchtig herunterhandeln müssen, wenn er noch Geld für etwas zu essen und das eine oder andere Geschenk übrig haben wollte.
    »Ja, und es liegt Pferde- und Kuhmist darauf herum.«
    Sie mieteten eine Sänfte. Als sie darin saßen und die Träger sie schaukelnd anhoben, fischte Anuprabha aus einer Falte ihres Saris einen blauen Schleier, den sie sich über den Kopf legte.
    Makarand schlug entsetzt die Hand vor den Mund. Was tat sie denn da? Sie konnte doch nicht als Ambadevi auftreten!
    »Nun schau nicht so erschrocken. Ich tue das nur für dich. Oder willst du, dass alle Männer, all diese schrecklichen Weißen, mich angaffen wie ein käufliches Mädchen? Als deine Verlobte muss ich auf deinen wie auf meinen Ruf achten.«
    Makarand war nicht ganz überzeugt, mochte aber nicht länger nörgeln. Dass sie sich als seine Verlobte bezeichnete, brachte ihn in

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