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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Vielzahl an Genesungswünschen und guten Ratschlägen wurde ausgesprochen, dann ließen die entfernteren Freunde Isabel und Miguel allein, damit sie einander nicht vor aller Augen umarmen mussten und eine letzte Gelegenheit hatten, Worte auszusprechen, die nicht für aller Ohren bestimmt waren. Auch der Kinderchor ging, begleitet von einem Lächeln und dem Winken Isabels sowie dem guten Zureden Marias, die den Kleinen ständig aufs Neue versicherte, dass sie ihre Sache großartig gemacht hatten.
    Dann, als sich endlich auch die Eheleute Queiroz unter Tränen – bei Dona Juliana – und nutzlosen Ratschlägen – von Senhor Afonso – entfernt hatten und Isabel und Miguel einander verlegen gegenüberstanden, hielt plötzlich eine Kutsche am Pier. Miguels Puls beschleunigte sich. Er wusste, wem dieses Gefährt gehörte.
    Als Amba die Kutsche verließ, wie üblich verschleiert und mit königlicher Haltung, wurden ihm die Knie weich. Isabel indes schaute voller Neugier der fremden Dame entgegen, die auf sie zukam. Was hatte das zu bedeuten? Handelte es sich vielleicht um ein Versehen?
    Amba lüftete ihren Schleier, als sie unmittelbar vor Isabel stand. »Ihr habt mich unter etwas unglücklichen Umständen und in anderer Aufmachung kennengelernt«, sagte sie.
    »Ich erinnere mich an Euch«, entgegnete Isabel. Diesmal kam sie gar nicht auf die Idee, die Frau zu duzen, wie sie es damals getan hatte. Die Person, die vor ihr stand, war der Inbegriff indischer Aristokratie.
    »Ihr wart sehr freundlich zu mir, obwohl Ihr mich für eine einfache Frau niederer Kaste gehalten habt. Und nun wollt Ihr Euch für mich und Miguel opfern, wenngleich … Nun, das steht auf einem anderen Blatt. Ihr seid eine ganz besondere Frau, Senhorita Isabel, und ich möchte Euch gern ein Zeichen meiner Anerkennung überreichen. Wenn die Zeiten hart werden, wenn man Euch nicht den Respekt entgegenbringt, den Ihr verdient, dann werdet Ihr es vielleicht noch brauchen.« Damit drückte sie ein Samtbeutelchen in Isabels Hand.
    »Ich, also, ich bin …«, stammelte Isabel.
    »Öffnet es erst, wenn Ihr bereits auf hoher See seid. Ich wünsche Euch eine sichere Reise und alles Gute.« Abrupt wandte Amba sich um, zog ihren Schleier vors Gesicht und schritt mit vollendeter Grazie zu ihrer Kutsche zurück.
    Einen Augenblick später war die Kutsche verschwunden. Isabel und Miguel blieben ratlos und schweigend zurück. Beide fragten sich, was sie von diesem Intermezzo halten sollten.
    Isabel sammelte sich als Erste. »Was sollte das?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Miguel. »Willst du nicht nachsehen, was sie dir da geschenkt hat?«
    »Miguel!«
    »Wie du willst«, gab er betont gelassen zurück, obwohl die Neugier ihn fast umbrachte. Es würde wohl ein Schmuckstück sein, sogar eines von einigem Wert, wenn er Ambas Worte richtig gedeutet hatte. Auch er hatte ein Abschiedsgeschenk für Isabel, doch nun war es ihm irgendwie peinlich, es ihr zu überreichen, so als müsse er mit Ambas Großzügigkeit in Konkurrenz treten. Was für ein Unsinn, rief er sich zur Vernunft und holte schließlich das Etui hervor.
    »Ich möchte dir ebenfalls etwas schenken. Es wäre eigentlich dein Verlobungsgeschenk gewesen, aber da …« Seine Stimme versagte.
    »Schon gut, Miguel.«
    Isabel öffnete das Etui und entnahm ihm eine goldene Halskette, an der ein kunstvoll gearbeitetes Medaillon hing. Es war ebenfalls aus Gold, ein riesiger Rubin prangte auf dem Deckel. Sie ließ den Deckel aufspringen, und zum Vorschein kamen eine winzige Elfenbeinminiatur, auf der eine ländliche Szene mit Tigern und Elefanten abgebildet war.
    »Da du dich darüber beklagt hast, in Indien noch nicht einmal diese exotischen Tiere gesehen zu haben, dachte ich, dass … ähm …«
    »Es ist wundervoll, Miguel. Hab tausend Dank. Ich werde es wie meinen Augapfel hüten und immer in Ehren halten.«
    Miguel atmete hörbar auf. Er hatte befürchtet, Isabel könne sein Geschenk ablehnen. Er war froh, dass sie es nicht tat. Er hatte es speziell für sie anfertigen lassen, und er würde es niemals einer anderen schenken wollen, geschweige denn selber behalten oder gar verkaufen. Álvaro hätte sicher ein Vermögen dafür bekommen, aber seinen größten Wert und schönsten Glanz würde es am Hals dieser einzigartigen Frau entfalten.
    »Ich werde dir schreiben«, sagte Miguel. »Und ich hoffe, dass wir uns eines Tages wiedersehen.«
    »Ja, das wäre schön«, sagte Isabel mit belegter Stimme. Sie fühlte

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