Der indigoblaue Schleier
war. Würde hier eine Feier stattfinden? Es passte gar nicht zu der Zurückgezogenheit, die Amba sonst bevorzugte.
»Senhor Miguel«, kam Makarand auf ihn zu, »warum seid Ihr nicht zur Hochzeit gekommen? Es war ein herrliches Fest!«
Aha. Aber wer hatte geheiratet?, fragte Miguel sich. Makarand und Anuprabha? Er blickte verstohlen auf den Ringfinger des Burschen, und tatsächlich, da war ein schmaler goldener Ring. »Herzlichen Glückwunsch! Wie ist es denn so, das Leben als Ehemann?«
»Himmlisch!« Makarand verdrehte schwärmerisch die Augen. »Allerdings sind Anu und ich ja erst seit gestern verheiratet, so dass ich über den Ehealltag noch nichts sagen kann.«
Warum war er nicht eingeladen worden? Immerhin hatte er Anuprabha aus dem Verlies gerettet, da war es doch wohl das Mindeste, dass sie ihn zu ihrer Hochzeit einlud. Bestimmt hatte Amba ihr ein Ammenmärchen aufgetischt. Und genauso war es auch, wie Makarands nächste Äußerung bewies.
»Dona Amba sagte, Ihr wäret verhindert, weil Ihr nämlich Eure Verlobung feiern müsstet.«
»Nun, die Umstände haben sich ein wenig geändert, aber im Prinzip stimmt das. Es tut mir leid, dass ich nicht dabei sein konnte. Aber dafür stehe ich ja jetzt hier, um dir zu gratulieren. Wo steckt denn die junge Gemahlin? Ihr würde ich auch gern meine besten Wünsche übermitteln.«
»Sie ruht«, raunte Makarand ihm verschwörerisch zu und strahlte über das ganze Gesicht. »Wir haben letzte Nacht nicht viel Schlaf abbekommen. Und wir brauchen heute beide nicht zu arbeiten. Ich werde ihr nachher einen Imbiss bringen, und dann …«
Miguel lächelte. Er ahnte, wie Makarands Schicksal an der Seite Anuprabhas aussehen würde, aber der Bursche hatte es ja partout so gewollt. Sie würde ihn zum Laufburschen machen, und er würde sich jede ihrer Launen gefallen lassen.
»Ist deine Herrin auch da? Ich würde sie gern sprechen.«
»Ja, folgt mir bitte.«
Amba hatte sein Eintreffen bereits bemerkt und stand nun auf der Veranda, um ihn kühl zu begrüßen. Gleich fortschicken mochte sie ihn nicht, da sonst ihre Notlüge, mit der sie das Brautpaar über Miguels Abwesenheit informiert hatte, sofort auffliegen würde.
»Herzlichen Glückwunsch zu Eurer Verlobung«, sagte sie in einer Tonlage, in der sie auch die Vorratsliste der Speisekammer hätte aufzählen können.
»Danke. Habt Ihr einen Moment Zeit für mich? Ich muss Euch etwas berichten – unter vier Augen.«
Sie rollte auf typisch indische Weise mit dem Kopf und schickte Makarand mit einer Handbewegung fort.
»Setz dich«, sagte sie, als sie endlich allein waren.
»Es gibt keine Verlobung«, platzte er gleich heraus. Er konnte es nicht ertragen, von Amba in dieser kalten, abweisenden Art behandelt zu werden, und hatte nicht das geringste Verlangen danach, diese Herablassung auch nur einen Moment länger als nötig über sich ergehen zu lassen.
»Ach, hat die junge Dame endlich begriffen, auf was für einen Lügner sie da hereingefallen ist? Man kann ihr nur zu ihrer Weitsicht gratulieren.«
»Herrje, Amba. Hör mir doch wenigstens einmal zu, bevor du mich verurteilst.«
»Gut«, kam es knapp zurück.
Das war wohl als Aufforderung gemeint, der Miguel gleich nachkam, bevor Amba es sich noch anders überlegte. Er schilderte ihr die Unterredung mit dem Inquisitor, berichtete von dem Plan, eine Verlobung zu feiern, die niemals in eine Vermählung münden sollte, und erzählte schließlich von seinem Gespräch mit Isabel sowie von deren Vorhaben, sich krank zu stellen und dann bald abzureisen. All dies fasste er in sachliche Worte und kurze Sätze. Er wollte nicht durch zu große Gefühlsbetontheit wie ein jämmerlicher Schwächling dastehen, was ihm allerdings nicht wirklich gelang.
»Du lässt diese Isabel in Schande gehen, damit du mich umwerben kannst, die ich nicht einmal umworben werden will?«, rief Amba entrüstet aus.
»Nicht?«, lenkte er vom eigentlichen Thema ab. »Ich hatte einen anderen Eindruck gewonnen.«
»Sprich nicht mehr davon. Es war eine kurzzeitige Verwirrung, ausgelöst durch ein Ungleichgewicht der Körpersäfte. Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Ach? Und mir war, als hättest du sogar schon einen Tag dafür vorgesehen. Sagtest du nicht, ich solle in der ersten Vollmondnacht …«
»Hör auf damit! Ja, das habe ich gesagt, aber zu diesem Zeitpunkt war ich nicht ich selbst. Die Verabredung hat keine Gültigkeit mehr.«
»Aber warum, Amba? Wir passen auf das Beste zusammen. Ich liebe
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