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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Nelken, einen kleinen Löffel mit Anis sowie einen Löffel mit Fenchelsamen in einen steinernen Mörser und zerrieb sie grob. Dann füllte er einen kupfernen Topf zu einem Drittel mit Wasser, ließ es aufkochen und gab die Gewürzmischung hinzu, des Weiteren eine Stange Zimt sowie etwas zerriebenen Ingwer. Diese Mischung ließ er kurz köcheln, bevor er Milch hinzugab, bis der Topf zur Hälfte gefüllt war. Er ließ die Flüssigkeit aufkochen, fügte schließlich drei große Löffel Chai hinzu und ließ das Gebräu ein paar Minuten ziehen. Dann goss er es durch ein Sieb direkt in die Silberbecher, die er eigens für seinen Gast hervorgezaubert hatte. Er gab einen Schuss Honig in Ambas Becher, bevor er ihn ihr reichte.
    Amba probierte zögerlich, verbrannte sich aber trotzdem die Zunge. Ihr Gastgeber, Akash war sein Name, bemerkte es nicht, da sie sich von ihm abgewandt hatte, um den Schleier lüften und trinken zu können. Sie pustete in das Gefäß und versuchte es erneut. Es schmeckte ihr vorzüglich. Allerdings lag das wohl eher an den Gewürzen und dem Honig als an dem Chai, der sich nur schwer herausschmecken ließ. Sie lobte Akash und dankte ihm wortreich für diesen Genuss, konnte es jedoch nicht lassen, ihre Neugier zu stillen. »Sagt, Akash-sahib, kann man diesen Chai auch pur genießen? Mich würde sein Geschmack interessieren, wenn er nicht von Zimt und Honig überdeckt wird.«
    Es war eine ungehörige Frage, aber Akash, die rauen Sitten auf den Handelstraßen gewohnt, nahm sie ihr nicht übel. Er wusste, dass es nicht als Kritik an seinem Aufguss gemeint war.
    »Man kann, verehrte Ambadevi. Ich werde Euch einen Becher zubereiten, dann teilt mir Euer Urteil mit.«
    Amba probierte den klaren, mit Wasser aufgebrühten und ungesüßten Chai und war versucht, ihn sofort wieder auszuspucken. Er schmeckte fast genauso abscheulich wie dieses Modegetränk Kaffee, nämlich bitter.
    »Oh«, war alles, was sie hervorbrachte.
    Akash lachte. »Ich finde auch, dass er durch die anderen Zutaten sehr viel genießbarer wird.«
    »Aber wofür braucht man den Chai dann überhaupt? Könnte man nicht einfach Wasser, Milch und Gewürze aufkochen, ohne dieses Kraut?«
    »Wartet es ab. Der Chai hat eine sehr belebende Wirkung. Bei manchen Menschen wirkt er so stark, dass sie nicht gut einschlafen können. Diese Eigenschaft schätzt man am Chai, insbesondere, wenn man erschöpft ist. Ihr werdet ja sehen …«
    Und genauso war es gewesen. Der Chai hatte Amba belebt und sie anfangs, bei aller Müdigkeit, länger aufbleiben lassen. Während der Reise war er ihr unentbehrlich geworden – was allerdings auch an der anregenden Gesellschaft Akashs liegen mochte, der es sich zu einem persönlichen Anliegen gemacht hatte, ihr mehrmals täglich den köstlichen Aufguss zuzubereiten. Nayana nörgelte zwar unentwegt über die zahlreichen Begegnungen zwischen Amba und Akash und erklärte, es zieme sich nicht, wenn eine junge Frau und ein anscheinend lediger, noch dazu so ansehnlicher Mann die Gesellschaft des jeweils anderen suchten. Doch Amba lachte darüber nur.
    »Hast du vergessen, dass mein schwächelnder Gemahl Jaysukh daheim auf mich wartet?«
    Nayala schlug sich vor Empörung die Hand vor den Mund. »Man darf den Namen des Ehegatten nicht laut aussprechen!«
    Amba hätte sich schütteln können angesichts dieses Aberglaubens, war aber zugleich gerührt über die Naivität ihrer
ayah.
Der wäre es lieber gewesen, Amba hätte sogar in ihrer Gegenwart von »dem stolzen Tiger von Virlasa« gesprochen oder von »der Sonne meines Lebens« oder was auch immer an Umschreibungen für einen Ehemann üblich war – obwohl Nayana über jedes Detail in Ambas Leben unterrichtet war und man ihr sicher nichts vormachen musste.
    Am Mandovi-Fluss trennten sich die Wege von Amba und Akash. Amba lud den Händler ein, auf dem Rückweg – oder bei einer anderen Reise, die ihm mehr Zeit für einen Besuch ließ – bei ihr vorbeizuschauen. »Auf der anderen Seite des Mandovi und westlich von der Hauptstadt liegt das Dorf Virlasa – Ihr erkennt es unschwer schon vom Südufer aus an der wunderschönen Kirche, Nossa Senhora da Penha de França. Im Dorf fragt Ihr nach Dona Amba, man wird Euch den Weg zu mei … zu unserem Haus weisen.«
    Verlegen angesichts der Gefühle, die der Abschied in ihnen auslöste, wünschten sie einander in aller Förmlichkeit eine angenehme Weiterreise. Dann wurde Akash wieder von den Männern seiner Karawane mit Beschlag

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