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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Veloso
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Dona Amba entdeckte er ebenfalls Schlammspritzer.
    »Wohin soll ich Euch bringen?«, fragte Dona Amba. »Liegt Euer Haus auf dem Weg in die Hauptstadt?«
    Miguel schüttelte den Kopf. Er konnte bei diesem Wetter nicht verlangen, dass Dona Amba ihn nach Hause fuhr und einen großen Umweg machte. Also blieb er bei seinem ursprünglichen Plan. Das Haus der Mendonças lag schließlich an dem Weg, den sie fuhr. »Vielen Dank für Eure Hilfe. Ihr könnt mich auf etwa halber Strecke von hier in die Stadt wieder ausladen. Dort leben Freunde von mir.«
    Sie nickte.
    »Ich bin Euch wirklich sehr verbunden für Eure selbstlose Hilfe, Dona …«
    »Dona Amba.«
    »Dona Amba«, wiederholte Miguel und kam sich dabei unglaublich dumm vor. »Äh, ich bin übrigens Miguel Ribeiro Cruz. Vielleicht kennt Ihr das Handelshaus meines Vaters, es liegt gleich am …«
    »Ja, ich kenne es«, unterbrach sie ihn, während sie ihm ein feines Taschentuch reichte. »Hier, reinigt Eure Hände und Euer Gesicht.«
    Miguel war erstaunt über die spröde Art seiner Retterin. Sie gab ihm deutlich zu verstehen, dass sie auf ein Gespräch lieber verzichtete.
    Schweigend rollten sie weiter. Die Kutsche kam nur sehr langsam voran, ab und zu hörte man die Flüche des Fahrers. Darüber hinaus war nur das Prasseln des Regens auf dem Dach der Kutsche zu hören. Miguel blickte sich in dem Gefährt um. Es war eine sehr eigenwillige Konstruktion, wie er sie nie zuvor gesehen hatte. Die Tür des Wagens öffnete sich zum hinteren Ende hin, so dass man bequem die Sänfte herein- oder herausheben konnte. Diese Sänfte belegte nun die ganze linke Seite des Wagens, während sich auf der rechten Seite eine gepolsterte Bank befand. Der Platz darauf reichte gerade für zwei Personen. Obwohl Miguel so viel Abstand wie möglich von Dona Amba hielt, berührten sich ihre Beine mit jedem Ruck, den die Kutsche tat. Die körperliche Nähe zu der geheimnisvollen Frau neben ihm empfand Miguel als mindestens ebenso bedrückend wie das Schweigen. Um die unangenehme Situation zu überbrücken, beugte er sich zu dem Fenster vor und schob den Vorhang beiseite.
    »Lasst das!«, herrschte Dona Amba ihn an.
    Erschrocken ließ Miguel den Vorhang fallen.
    »Verzeiht«, murmelte er und warf einen Blick auf Dona Ambas verschleiertes Haupt. Am liebsten hätte er den Schleier fortgerissen, um vielleicht dem Blick der Dame entnehmen zu können, was in ihr vorging. Warum sprach sie in diesem schroffen Ton mit ihm? Er hatte ihr ja nichts angetan, und sie hatte ihm aus freien Stücken einen Platz in ihrer Kutsche angeboten. Er runzelte die Brauen und starrte auf einen Riss in seiner Hose, an dem Blut klebte. Wohin hätte er sonst schauen sollen? Die Dame an seiner Seite wünschte nicht, dass er sich mit ihr befasste, aus dem Fenster durfte er ebenfalls nicht sehen. Er fühlte sich scheußlich und betete, dass diese Fahrt bald ein Ende haben möge.
    Amba empfand ähnlich. Nie zuvor hatte ein Mann mit ihr gemeinsam in der Kutsche gesessen. Abgesehen davon, dass es höchst unschicklich war, war es in diesem Fall auch sehr unappetitlich. Der Portugiese war über und über mit Schlamm bedeckt, seine Kleidung war zerrissen, und er hatte mit seiner blutenden Wunde ihre Sitzkissen verunreinigt. Aber was hätte sie anderes tun sollen? Einen Verletzten ließ man schließlich nicht einfach am Wegesrand liegen. Und einen Portugiesen von offensichtlich hohem Stand – allein an dem Pferd hatte sie erkennen können, dass dessen Besitzer ein Mann von Rang sein musste – hätte sie auch schlecht auf den Kutschbock verbannen können. Außerdem war darauf kein Platz mehr, denn es fuhren immer zwei Männer mit, die später, in der Stadt, ihre Sänfte trugen.
    Sie ärgerte sich über den Kerl. Hatte er nicht besser aufpassen können? Wenn er nicht mit seinem Pferd umzugehen verstand, sollte er bei solchen Witterungsverhältnissen lieber zu Hause bleiben. Oder verhielt es sich vielmehr so, dass er die Begegnung absichtlich herbeigeführt hatte?
    Sie wandte sich ihm zu, wobei ihr Ellbogen seinen Arm streifte. Miguel zuckte zurück.
    »Ihr seid wohl noch nicht lange in Indien? Wie sonst hätte das Unwetter Euch derartig überraschen können …«
    Miguel wunderte sich über den Plauderton, den Dona Amba plötzlich anschlug, war aber froh, dass das erdrückende Schweigen durchbrochen worden war.
    »Nein, sehr verehrte Dona Amba, lange bin ich noch nicht hier – ich bin vor etwa einem halben Jahr

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