Der indische Fluch
Edinburgh.
"Hallo?" fragte er in gedämpftem Tonfall, so als hätte selbst hier Angst davor, daß ihm jemand zuhören könnte.
"Haben Sie die Transaktionen, um die ich Sie gebeten habe, erledigt?" Eine Pause folgte, in der sein Gesicht ziemlich angespannt wirkte. "Gut" murmelte er dann erleichtert.
"Vielen Dank, ja das ist in Ordnung so. Auf wiederhören."
Er klappte den Handy ein und und zuckte dann unwillkürlich zusammen, als er eine Gestalt die Treppe des Portals herunterkommen sah.
Es war Josh Cody.
Der Fotograph des London City Chronicles kam direkt auf Lambert zu und blieb bei ihm stehen. Sein Blick ging auf den Beifahrersitz, wo die Tasche untergebracht war.
"Verreisen Sie, Mr. Lambert?" fragte er mit einem Unterton, der Lambert nicht gefiel.
"Lassen Sie mich in Ruhe, Cody!" knurrte er.
"Warum so nervös?"
"Es reicht, daß dieser eingebildete Inspektor heute morgen noch einmal hier auftauchte und dumme Fragen gestellt hat, die allesamt kaum verhüllte Unterstellungen waren! Fangen Sie jetzt nicht auch noch damit an, Cody!"
Josh zuckte die Achseln.
"Es war ja nur eine Frage", erklärte er.
"So?" Lambert lachte heiser auf.
"Nun, Sie müssen schon zugegeben, daß es einen seltsamen Eindruck macht, wenn Sie sich gerade jetzt aus dem Staub machen, Mr. Lambert. Und ich glaube Inspektor McEllroy wird das ähnlich sehen..."
Lamberts Blick gefror zu Eis.
Er trat nahe an Josh heran.
"Sehen Sie, ich bin wahrscheinlich der Einzige hier auf Pembroke Manor, der durch Gillian Carters Tod nichts gewinnen kann. Nichts, außer Schwierigkeiten. Im übrigen will ich mich auch nicht aus dem Staub machen, sondern fahre nur einer geschäftlichen Angelegenheit wegen nach Edinburgh. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte!"
Er stieg in den Wagen und startete. Der Motor brauste wild auf. Lambert setzte derart ruckartig zurück, daß Josh zur Seite springen mußte. Einen Augenblick später brauste der Manager davon und Josh sah ihm kopfschüttelnd nach.
Als er sich dann zum Haus wandte, zog er sich die Jacke zu.
Aus den Augenwinkeln heraus nahm er eine Bewegung war.
Er wandte sich zur Seite und verengte ungläubig die Augen.
Für den Bruchteil eines Augenblicks, glaubte er die Frau in Rot gesehen zu haben.
Ihr dunkles, seidiges Haar, die blitzenden Augen, das feingeschnittene Gesicht...
Es versetzte ihm einen Stich.
Aber schon im nächsten Moment war sie nur noch ein Schatten in den wabernden Nebelschwaden und dann verschwunden.
Sie war es! ging es ihm siedend heiß durch den Kopf, während er zu einem kleinen Spurt ansetzte, der ihn bis zur Ecke des Nebengebäudes führte. Es war jene Frau, die plötzlich mitten auf der Straße stand...
Er war sich ganz sicher.
Sie hatte dagestanden, als hätte sie ihn und Lambert beobachtet.
"Hallo?" rief Josh. "Ist da jemand?" Er kam sich reichlich albern dabei vor. Aber gleichzeitig machte sich ein deutlich spürbares Unbehagen in seiner Magengegend bemerkbar. Er ließ den Blick schweifen. Das Nebengebäude machte den Eindruck, als würde es leerstehen und schon seit langer Zeit nicht mehr benutzt werden. Moos hatte sich in das Mauerwerk hineingesetzt. Josh versuchte, durch eines der butzenartigen Scheiben ins Innere zu blicken, konnte aber nichts erkennen.
Ein Stall, der irgendwann zu einem zusätzlichen Wohnhaus umfunktioniert worden ist! dachte Josh.
Der Eingang war auf der anderen Seite, genau dort, wo er die Frau in Rot gesehen zu haben glaubte.
Ratami...
Die schwere Holztür stand einen Spalt weit offen. Sie war zuvor vernagelt gewesen, aber jemand hatte die Bretter entfernt und zur Seite geworfen. Josh öffnete vorsichtig die Tür. Sie knarrte.
Und dann verschlug es ihm schier den Atem.
"Mein Gott!" flüsterte er, während er das grauweiße, klebrige Gespinst zur Seite wischte. Der ganze Raum, einschließlich der wenigen Einrichtungsgegenstände, die man hier belassen hatte, war von Spinnweben nur so überwuchert.
Es waren uralte Gespinste, in denen sich schon seit vielen Jahren weder irgendein Insekt verfing noch eine wachsame, achtbeinige Jägerin dort auf Beute wartete.
*
Lambert fuhr wie der Teufel. Mit seinem Coupe raste er die Straße nach Edinburgh entlang, während die Nebelschwaden wie böse Geister aus dem nahen Wald krochen, der sich zu beiden Seiten erstreckte.
Er mußte sich aus dem Staub machen, genau so , wie der Journalist es vermutet hatte.
Und zwar ehe jemand etwas von seinen finanziellen Transaktionen merkte, mit denen er noch
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