Der indische Fluch
eines Menschen in Kauf, wenn er dafür dessen Seele retten konnte, wie er es aus-
drückte..."
Wir hatten die Küche längst verlassen und uns in das Wohnzimmer gesetzt. Ridley hatte dort in einem Sekretär aus Nußbaumholz jene Unterlagen untergebracht, die sich bei seinen Nachforschungen angesammelt hatten.
"Was geschah mit Ratami?" fragte ich dann weiter.
"Eines Tages, nachdem ein plötzlicher Hagelsturm das Korn vernichtet hatte, stürmte ein aufgebrachter Mob unter Führung von Reverend Morley Pembroke Manor. Es wurde Feuer gelegt.
Sir George und Ratami verbrannten in den Flammen...
Kurz bevor das Feuer die Inderin verzehrte, sah man sie am Fenster stehen und ihren goldenen, mit magischen Zeichen versehenen Armreifen dem Mob entgegenschleudern. Und dabei schwor sie ewige Rache über den Tod hinaus... Die ausge-brannte Ruine war später lange Zeit ein verwunschener Ort, von dem man sich seltsame Geschichten erzählte. Die Menschen mieden ihn, und die wenigen, die mutig oder dumm genug waren, e nicht zu tun, berichteten von seltsamen, geisterhaften Erscheinungen... Von einer jungen, hübschen Frau in einem roten Gewand..."
"Ratami...", flüsterte ich nachdenklich.
Ridley nickte.
"Schon damals gab es rätselhafte Todesfälle, bei denen ein eingebrannter Handabdruck eine Rolle spielte. Zumindest habe ich in alten Quellen Berichte darüber gefunden. Um die Jahrhundertwende wurde die Ruine dann von einem Geschäftsmann aus London aufgekauft, der sie restaurieren und als seinen Landsitz ausbauen ließ. Er starb unter ungeklärten Umständen, so wie alle weiteren Besitzer von Pembroke Manor. Gillian Carter ist bislang die letzte in dieser Reihe..."
Ridley atmete tief durch. Er erhob sich, vergrub die Hände in den Hosentaschen und ging zum Fenster. Sein Blick ging ins Leere, während draußen der Himmel grau und dunstig war.
Nebel war aufgekommen und hatte sich wie grauer Spinnweben über das Land gelegt.
"Sie sind überzeugt davon, daß Ratami auf irgend eine Weise über ihren Tod hinaus existiert, nicht wahr?" flüsterte ich.
Er nickte, sah mich dabei aber nicht an. "Wie gesagt, ich bin ein nüchterner Mensch und habe eigentlich nichts übrig für Okkultismus oder diese sogenannten Grenzwissenschaften.
Aber das, was ich - und vor mir mein Vater - an Beweisen zusammengetragen und dokumentiert habe, läßt eigentlich keinen anderen Schluß zu. Und außerdem..."
Er schwieg plötzlich.
Ich erhob mich von meinem Platz auf dem tiefen Sofa, auf dem ich gesessen hatte und trat zu ihm.
Leicht berührte ich mit der Hand seinen Unterarm.
"Sie wollten noch etwas sagen", murmelte ich.
Er sah mich an und seine ruhigen, dunklen Augen unterzogen mich einer eingehenden Musterung.
Dann brachte er schließlich heraus: "Ratami ist auch mir bereits einmal begegnet. Ich habe das noch niemandem erzählt und tue das auch in Ihre Fall nur deswegen, weil Sie wissen, wovon ich rede, Linda."
"Sie meinen, weil ich sie auch gesehen habe?"
"Ja", nickte er.
Unsere Blicke verschmolzen miteinander und in diesem Augenblick fühlte ich mich ihm innerlich sehr nahe.
"Sie können mir vertrauen", sagte ich.
"Ich weiß..."
Wir standen jetzt sehr nahe beieinander und ich fühlte mein Herz schlagen. Ein Schauer unbestimmter Gefühle durchflutete mich und der ruhige Blick seiner dunklen Augen ging mir durch und durch.
Unwillkürlich muße ich schlucken.
Ich spürte die prickelnde Spannung zwischen uns. Und Ridley schien ähnlich zu empfinden. Er öffnete etwas die Lippen, aber kein Wort kam aus seinem Mund. Und Worte waren in dieser Situation ohnehin überflüssig...
Einen Augenblick später fühlte ich seine Hände sanft an meinen Schultern. Unsere Lippen berührten sich leicht und fanden sich zu einem vorsichtig tastenden Kuß...
Dann umschlang ich seine Taille mit den Armen und legte den Kopf an seine breite Hemdbrust. Ich konnte sein Herz schlagen spüren und das ruhige Auf und Ab seines Atems. Ein elektrisierendes Gefühl überkam mich, als seine Hand über mein Haar strich.
"Sie sind eine faszinierende Frau, Linda. Aber ich wette, daß sagt Ihnen auch jeden Morgen ihr Spiegel..."
Ich sah zu ihm auf und wir lächelten beide.
"Mein Spiegel flirtet nicht halb so charmant wie Sie, Mark!"
"Na, das freut mich aber..."
"Ach, ja?"
"Ich meine, daß ich die Flirt-Konkurrenz mit Ihrem Spiegel noch bestehen kann. Schließlich kommt man als Arzt auf dem Lande ja vielleicht ein bißchen aus der Übung!"
Unser beider Lachen blieb
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