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Der indische Fluch

Der indische Fluch

Titel: Der indische Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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seiner Arbeitgeberin zu sein."
    "Ich glaube eher an etwas anderes", erklärte ich. "Diese Frau, die uns auf der Straße angehalten hat... Josh, dieser Handabdruck kann kein Zufall sein."
    "Hm", brummte er und atmete tief durch. "Linda, ich hoffe nur, daß du dich da nicht in etwas verrennst!"
    "Sie war hier auf Pembroke Manor! Wir haben Sie gesehen!"
    "Du hast sie erkannt, ich habe nur die Gestalt einer Frau gesehen", stellte er klar.
    "Meinetwegen", gestand ich zu. "Aber Dr. Ridley kennt zumindest ihren Namen: Ratami..."

    *
    Als ich die Treppe hinabstieg, sah ich das Hausmädchen, das eifrig am Putzen war. Sie sah mich kurz an und begrüßte mich ohne besonders höflich zu sein. Aus den Dinner-Gesprächen vom Vorabend wußte ich, daß sie Betty hieß und aus der Umgebung stammte. Jeden Morgen kam sie mit ihrem Wagen hier her, um ihren Dienst anzutreten und niemand auf Pembroke Manor hatte eine besonders hohe Meinung von ihr.
    Offenbar war es allerdings wohl nicht so einfach, einen Ersatz für sie zu finden...
    Pembroke Manor schien nicht gerade ein bevorzugter Arbeitsplatz zu sein - und das, obwohl man in einer so ländlichen Gegend vermutlich nicht sehr wählerisch sein konnte.
    "Möchten Sie etwas frühstücken?" fragte mich der Butler, der plötzlich in den Empfangsraum getreten war.
    "Nein, danke, Edward. Ich habe keine Zeit."
    Im Hintergrund hörte ich Klaviermusik. Stanton schien wieder zu üben. Aber diesmal spielte er keine düsteren Elegien, sondern...
    Ein Kinderlied!
    Ich lauschte leicht verstört. Er wiederholte es immer wieder, und sein Anschlag wollte so gar nicht zu dem großen Virtuosen passen, den ich am Vortag gehört hatte. Er hämmerte das Lied wie eine Spieluhr herunter. Immer wieder dieselbe Notenfolge. Es war entnervend.
    "Miss Lisa läßt Ihnen etwas ausrichten, Miss Chester!"
    drang die Stimme des Butlers in mein Bewußtsein.
    Ich sah zu ihm auf und hob die Augenbrauen. "Ach, ja?"
    "Sie läßt Ihnen sagen, daß Sie sich weiterhin hier wie Zuhause fühlen sollen. Sie selbst schläft um diese Zeit noch, aber es war ihr offenbar sehr wichtig, daß ich Ihnen das sage. Im übrigen hätten Sie bei Ihrer Berichterstattung völlig freie Hand."
    "Oh, wie großzügig!" erwiderte ich und konnte den bitteren Unterton nicht mehr rechtzeitig unterdrücken. Es war Lisa Carter völlig gleichgültig, was über ihre Mutter auf den Seiten des London City Chronicles stehen würde. Hauptsache es stand überhaupt etwas dort, denn ganz gleich, was es war: Es würde den Verkauf von Gillian Carters Lebenserinnerungen ankurbeln.
    Ist das Vermögen der großen Diva etwa derart zusammengeschmolzen, daß Lisa auf diese Einnahmen angewiesen sein wird? ging es mir dann auf einmal blitzartig durch den Kopf.
    "Ich danke Ihnen", sagte ich an den Butler gewandt. Dann folgte ich dem Klang des Klaviers. Ich schritt durch den Salon hindurch und kam an eine weitere Tür.
    Sie stand halb offen, daher ging ich weiter.
    Ein grauhaariger Mann saß an einem Flügel. Seine Augen waren geschlossen, das Gesicht seltsam verzerrt, wie unter schmerzhafter Anspannung. Immer wieder hämmerte er dieselbe Melodie in die Tasten. Sein Anschlag klang blechern und kalt.
    Dann hielt er plötzlich inne.
    Das Klavier verstummte und der grauhaarige Mann, dessen Schultern eigenartig gebeugt zu sein schienen, blickte mich mit wässrig blauen Augen an.
    "Mr. Stanton?" fragte ich, obwohl ich mir sicher war, wen ich vor mir hatte.
    "Mit wem habe ich die Ehre?"
    "Linda Chester, London City Chronicle."
    "Ah, ich erinnere mich, daß Edward oder jemand anderes Ihren Namen erwähnte..."
    "Hat man..."

    "Natürlich hat man es mir schon gesagt!" fuhr er mich an und sein Gesicht verfinsterte sich. Er legte eine Hand auf die Tasten, so daß ein willkürlicher, ziemlich schräg klingender Akkord entstand. "Gillian ist tot", flüsterte er dann. "Sie werden wahrscheinlich nur das über unsere Ehe wissen, was in den bunten Blättern stand, nicht wahr? Daß ich im Schatten meiner berühmteren Frau stand und zu trinken begann... Und das jeder von uns mehr oder minder neben dem anderen herlebte..."
    "Stimmt das denn nicht?" erkundigte ich mich.
    Er zuckte die Achseln, drehte den Klavierstuhl herum und stand auf. Er wandte mir den Rücken zu. Dann ging er zu einem kunstvoll verzierten Schrank, öffnete eine Tür und holte ein Glas und eine Flasche Whiskey heraus.
    Er schenkte sich ein, führte das Glas zum Mund und trank einen Schluck. Dann sah er mich an. Seine blauen

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