Der indische Fluch
etwas von dem zu retten versuchte, was er sich über die Jahre hinweg aus dem Millionenvermögen der Carter angeeignet hatte. Wenn alles glattging, konnte er irgendwo anders neu anfangen. Eine andere Wahl blieb ihm auch nicht. Alles war nur eine Frage der Zeit.
Ein Wettlauf...
Ein Wagen tauchte von vorn aus dem Nebel heraus und hupte. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte Lambert sehen, wie der Fahrer ihm einen Vogel zeigte. Der andere Wagen wich zur Seite und es fehlten nur Zentimeter an einer Kollision.
Verdammter Nebel! ging es Lambert ärgerlich durch den Kopf.
Er war jetzt auf hundertachtzig und versuchte durch ruhiges Atmen wieder Herr seiner selbst zu werden.
Alles unter Kontrolle! redete er sich ein, obgleich er wußte, daß es ein Vabanque-Spiel war, das er spielte.
Immer dichter wurde der Nebel.
Und dann tauchte wie aus dem Nichts plötzlich etwas Rotes auf.
Eine Gestalt, erst wie ein schattenhafter Umriß, dann mit einem Gesicht und dunklen Augen.
Nur für den Bruchteil einer Sekunde sah er dieses exotische Gesicht von überirdischer Schönheit... Aber diese Schönheit war mit etwas anderem gepaart. Etwas grausamen und tödlichen.
Aus den Augen blitzte der blanke Haß. Die vollen Lippen verzogen sich in zynischem Triumph, während die Frau in Rot dem heranrasenden Wagen entgegenblickte.
Nicht die leiseste Ahnung von Furcht stand in diesen Zügen.
Lamberts Augen quollen vor Entsetzen hervor.
Nein! schrie es in ihm, während er mit aller Gewalt auf das Bremspedal trat. Der Wagen geriet ins Schleudern und rutschte dann ein Stück die Böschung hinunter.
Lambert schrie, als er die knorrigen, seltsam verwachsenen Bäume auf sich zurasen sah, deren Stämme wie fratzenhafte Gesichter wirkten, die ihn höhnisch angrinsten.
"Nein!"
Nur ein Augenaufschlag verging, dann knallte der Wagen frontal gegen einen der Stämme. Die Hupe tönte wie ein monotones Nebelhorn.
Durch die wabernden Nebel hindurch näherte sich eine Gestalt dem Wagen. Leichtfüßig und fast wie schwebend stieg sie den Hang hinab und verursachte dabei nicht einen Laut.
Kein Zweig knackte unter ihren Füßen, kein Steinchen wurde durch sie in Bewegung gesetzt und den Hang hinabgerollt.
Es war die Frau in Rot.
In ihren Augen blitzte es kalt, während sich um ihre vollen Lippen herum ein zufriedenes Lächeln gebildet hatte.
Dort, wo sie herging, schien ihr eine Aura des Todes und des Verfalls zu folgen. Grashalme und kleine Büsche schrumpften in Sekundenschnelle zu moderigem Humus zusammen, Blüten verwelkten innerhalb von Augenblicken und saftige, grüne Blätter zerfielen zu feinem, weißen Staub. Grauer Spinnweben legte sich wie ein Leichentuch über knorrige Baumstämme.
Als die Frau in Rot das Coupe des Managers erreichte, berührte sie leicht den hinteren Kotflügel mit ihrer zierlichen Hand.
Es zischte.
Etwas Rauch stieg auf.
Als sie die Hand wieder wegnahm, blieb ein schwarzer Abdruck, der wie eingebrannt wirkte.
*
Mark Ridley erzählte mir die Geschichte von Ratami, der schönen Inderin, deren Fluch nach einer Legende auf der ganzen Umgebung lag.
Im Jahr 1827 kehrte Sir George Pembroke als hochdekorierter Offizier der britischen Kolonialstreitkräfte in Indien nach Schottland zurück. Nach dem Tod seines Vaters wollte er den Familienbesitz Pembroke Manor übernehmen.
Aber Sir George kam nicht allein.
Er brachte eine junge Inderin namens Ratami mit, die er geheiratet hatte. Angeblich war sie die Tochter eines geheimnisvollen Magiers und Schlangenbeschwörers und auch ihr selbst wurden bald magische Kräfte zugeschrieben.
Die Bauern in der Umgebung von Pembroke Manor standen ihr von Anfang an ablehnend gegenüber. Sie war eine geheimnisvolle Fremde, die sie nicht durchschauen konnten.
Man munkelte von magischen Ritualen und Hexereien, die Ratami ausgeführt hatte und die abergläubische Bevölkerung machte sie bald für alles mögliche an Mißgeschicken und Schicksalsschlägen verantwortlich. Ihre finsteren Kräfte hätten Mißernten und Viehseuchen verursacht. Den Bauern stand das Wasser bis zum Hals. Manche von ihnen mußten ihre Höfe aufgeben. Angeblich häuften sich auch die Fälle von Totgeburten bei Mensch und Vieh.
Angestachelt wurde diese Stimmung von einem gewissen Reverend Charles Morley, einem fanatischen Hexenjäger und Teufelsaustreiber, der in Ratami die Verkörperung des Bösen zu erblicken glaubte.
"Er muß ein wahrer Fanatiker gewesen sein", meinte Ridley.
"Im Zweifelsfall nahm er den Tod
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