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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Budinger
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schon gegen ihn rempelte. Die beiden Männer musterten einander mit buchstäblich gesträubtem Fell und tauschten Abschätziges in einer stummen Sprache aus, die älter war als jedes Wort.
    »Passen Sie doch auf«, knurrte der Leibwächter schließlich und spuckte aus.
    »Danke gleichfalls«, sagte Cotton. »Wachhunde sollten nicht sabbern. Und schöne Grüße ans Herrchen, den großen Tierfreund.«
    Der Bodyguard schenkte ihm einen beißenden Blick, ehe er auf dem Laufweg längs der Mauer weiter seine Runden drehte.
*
    Die Klinik glich am Wochenende einem Taubenschlag. Die Besucher der Patienten reisten von weit her an. Es gab Infoveranstaltungen für Angehörige, lautstarke Begrüßungen und tränenreiche Abschiede. Wiedervereinigte Familien spazierten durch den Park oder tranken Kaffee im klinkeigenen Bistro. Kinder rannten herum und bettelten um Eis, das aus einem Wagen mit Pinguin-Logo vor der Klinik verkauft wurde.
    Cotton war mehr nach einem Glas Talisker zumute. Er fühlte sich körperlich schlapp und geistig unausgefüllt und überreizt. Er zog sich auf sein Zimmer zurück.
    Familienszenen waren schwer zu ertragen, denn sie erinnerten ihn immer daran, was er am schicksalhaften 11. September 2001 verloren hatte. Durch eigenes Verschulden. Andere Männer seines Alters hatten längst geheiratet und eigene Kinder. Ihm blieb nur die Arbeit und die lebenslange Buße.
    Cotton füllte einen Fingerbreit eingeschmuggelten Whiskey in den Zahnputzbecher, ließ sich damit in den Sessel fallen und schloss die Augen.
    Sonst war es in den Quartieren eher still, doch heute hatte der allgemeine Trubel auch sein Refugium erreicht. Im Flur spielten Kinder – Krankenbesuche mussten eine Tortur für sie sein. Cotton hörte zwei Jungen streiten. Der namens Alec klang älter, Pete erschien noch sehr kindlich.
    »Mein Blauer ist schneller. Pete, die lahme Ente.«
    »Von wegen. Ich hab den Roten Raser«, behauptete Pete.
    »Will auch mithüpfen!«, quengelte eine piepsige Mädchenstimme.
    »Lucy, nein!«, riefen die beiden Jungs, als ginge es um ein Schoßhündchen.
    Lucy begann zu weinen. »Will Frosch!«
    »Hau ab«, meinte Alec.
    Lucys Weinen steigerte sich zu einem Heulen. Die Brüder wurden noch lauter, um sie zu übertönen. »Du nervst. Hol dir `nen eigenen. Da hinten sind jede Menge!«
    Lucy verstummte.
    »Das Blaue Wunder besiegt den Roten Raser!«, rief Alec wie ein Promoter beim Boxen. Vom Flur ertönte lautstarkes Klopfen. »Na los, hüpf endlich, du blödes Vieh!«
    »He, das gilt nicht«, protestierte Pete.
    An Ruhe war nicht mehr zu denken. Cotton stand auf. Er öffnete die Tür und wäre fast über eine Plastikbox direkt vor seiner Türschwelle gestolpert.
    Zwei Jungs mit glänzend schwarzem Haar hockten am Boden. Sie hatten eine Art Hindernisparcours aus Pappbechern und Plastikboxen aufgebaut. Überzählige Kleidungsstücke bildeten die Umrandung der Arena. Frösche hüpften über den Flur, einige hatten den Rand schon überwunden.
    Der größere der Jungs war ungefähr sieben Jahre alt. Alec trommelte wild auf einen durchsichtigen Kasten mit einem weiteren Frosch, um das lustlose Tier hinauszutreiben. Sein Bruder zerrte am Kasten. »Das ist meiner.«
    »Fang deine Frösche lieber wieder ein.«
    Offensichtlich sollten die Hüpfer gegeneinander antreten. »Spielverderber«, murmelte der jüngere. Er rutschte über den Flur, um die feuerroten, gelb gestreiften und knatschblauen Amphibien einzusammeln.
    Es waren Pfeilgiftfrösche.
    »Nein!«, rief Cotton und zerrte den Jungen zurück, ehe der nach einem Frosch greifen konnte. »Nicht anfassen, die sind giftig!«
    Ihm blieb beinahe das Herz stehen, als er das kleine Mädchen am anderen Ende des Korridors sah. Lucy war höchstens drei Jahre. Sie umklammerte einen der Kästen. Etwas Rotgelbes leuchtete darin.
    »Finger weg von den Fröschen!«, brüllte Cotton.
    Das Mädchen wollte in die Box greifen. Cotton machte einen Satz über den Parcours, der einem Ochsenfrosch zur Ehre gereicht hätte, spurtete los und riss dem Mädchen die Kiste aus den Händen. Lucy rannte vor Schreck davon – genau auf die anderen Giftfrösche zu. Cotton ließ den Kasten fallen und wirbelte herum. Er musste das Mädchen aufhalten.
    Aus den Augenwinkeln sah er die bunten Amphibien überall – aber nur einige bewegten sich. Cotton holte Lucy ein und schob sie mit hartem Griff in sein Zimmer. Die Klinke war zu hoch für die Kleine. Dort war sie sicher.
    »Lassen Sie meine Schwester in Ruhe!«,

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