Der Infekt
spezialisiert ist und einen so guten Ruf hat wie die Belfort-Privatklinik, eigentlich kein eigenes Labor?«
»Wir haben ein zoologisches Labor, aber keine eigene Madenzucht. Es ist wirtschaftlicher, wenn man die Bereiche bündelt.«
Cotton hob fragend die Augenbrauen.
»Die keimfreien Goldfliegen-Maden beziehen wir von der Universität. Bislang gab es in der Hinsicht keine Probleme. Das Labor der Uni verschickt die Tiere auch an andere Institutionen oder an die Praxen von Diabetologen. Auch spezielle Untersuchungen geben wir an die Universität. Die sind froh über den Zusatzverdienst, und die Klinik spart Geräte und Fachpersonal.«
»Gilt das auch für Untersuchungen wie Bluttests?«, wollte Cotton wissen.
»Wenn es sich nicht um Routineaufgaben handelt, nehmen wir da auch die Dienste der Uni in Anspruch.«
Das musste er im Auge behalten! »Sie können mir nicht zufällig eine Liste der momentan im Labor Beschäftigten beschaffen?«
Schwester Hernandez schüttelte bedauernd den Kopf. »Tut mir leid, das geht wirklich nicht. Wenn Sie sich für Personaldaten interessieren, müssen Sie schon Dr. Sheffer fragen.«
Cottons Menschenkenntnis verriet ihm, dass er sich an der Dame die Zähne ausbeißen würde.
*
Schon der nächste Verbandswechsel brachte die Gelegenheit, auf die Cotton gewartet hatte.
Nachdem die behandelnde Ärztin seine Krankenakte auf den Rechner geholt hatte, wurde sie noch einmal herausgerufen. Der Computer blieb für geraume Zeit unbewacht, und Cotton verschaffte sich Einblick in den Dienstplan des Labors und lud die Daten der ganzen Woche auf sein Smartphone herunter.
Das Gerät hatte mehr Blessuren von der Ameisenattacke als er selbst. Die Säure hatte Flecken hinterlassen, und das Display war durch den Sturz stark beschädigt. Zwischendurch fiel der Touchscreen komplett aus, und wählen konnte man mit dem verdammten Ding auch nur während einer Glückssträhne.
Hastig blätterte Cotton zurück zu den Patientendaten. Aber die Akte, die er aufrief, war nicht seine eigene, sondern die von Shultz. Er überflog die Zusammenfassung des Falles und verglich sie mit dem, was Mrs Kelly ihm bereits genannt hatte. Was sie über die Neuwelt-Schraubenfliege gesagt hatte, stimmte tatsächlich. Weiter zur Todesursache: Urosepsis mit Multiorganversagen durch E. coli , stand da.
Cotton machte sich eine geistige Notiz, denn auf dem Flur wurde die Stimme der Ärztin lauter, die einem Pfleger Instruktionen gab. Cotton flippte zurück zu seiner Akte.
»Entschuldigen Sie bitte die Warterei«, sagte Dr. Sands.
Cotton verbarg sein Grinsen und steckte das Handy fort.
Sands wedelte mit einem Päckchen. »Dafür habe ich Ihnen auch etwas Neues mitgebracht.«
Cottons Herz setzte einen Schlag aus. »Neue Krabbeltiere?«
Sie lachte auf. »Diesmal keine Insekten, versprochen. Ich habe hier Spinnen…«
»Nein!« Cotton fuhr hoch.
»Spinnenseide«, beendete Dr. Sands ihren Satz. »Ein antiseptisches Verbandsmaterial, mit dem wir schon gute Erfolge erzielt haben. Und zuvor werde ich die Wunde mit einem speziellen mineralienreichen Wasser reinigen.«
Das klang harmlos genug. Aber es klang auch nicht besonders effektiv. »Hören Sie, warum schneiden Sie nicht einfach den ganzen Mist raus und lassen alles wieder zuwachsen?« Cotton kam sich vor wie ein Versuchskaninchen, an dem jeder Arzt seine Lieblingstierchen ausprobierte.
Die Ärztin schaute ihn an, als wollte sie ihn zum Nachsitzen verdonnern. »Dafür ist es schon zu spät. Solange der Entzündungsherd nicht vollständig entfernt wird, kommt es immer wieder zu Neuinfektionen. Ich möchte Ihnen nichts vormachen – am besten wären in Ihrem Fall die Larven. Aber das kommt momentan ja leider nicht infrage. Daher werden wir, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, mit den täglichen Honigauflagen weitermachen und ansonsten das Wasser zusammen mit der Spinnenseide ausprobieren.«
»Ausprobieren …«, echote Cotton lustlos.
»Medizin ist leider keine exakte Wissenschaft, weil kein Mensch einem anderen und kein Fall dem nächsten gleicht. Und wir konnten bislang den Keim noch nicht identifizieren, was die Angelegenheit zusätzlich erschwert.«
Das Gleiche hatten die Mediziner in dem anderen Krankenhaus auch behauptet. Immer dieselben Entschuldigungen!
Auf dem Rückweg in sein Zimmer fiel Cotton siedend heiß ein, dass er vergessen hatte, die Patientenakte von »Ernesto« genauer zu durchsuchen.
Ich wüsste zu gerne die genauen Umstände von Castellis
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