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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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Schatten der Alleebäume in östlicher Richtung weiter und versuchte dabei, einen Blick zwischen den meist aus Holz gebauten, schmucken Einfamilienhäusern hindurch auf die entfernten Häuser an der Ronan Street zu werfen. Bald erspähte er die Rückseite des Apartmenthauses, in dem Kossoff gewohnt hatte. Green blickte sich um. Niemand zu sehen. Vor allem kein Mercury, der ihn niederfahren wollte.
    Nach einem neuerlichen wachsamen Blick in alle Richtungen setzte er mit einem energischen Sprung über die Hecke des nächsten Vorgartens und spurtete dann an dem Haus vorbei in den Garten.
    Hoffentlich haben die Leute hier keinen Hund, dachte Green, dem bei diesem Gedanken ein bißchen mulmig wurde.
    Die hintere Grundstücksgrenze war glücklicherweise nur durch eine Hecke abgeschlossen. Green wühlte sich durch das dichte Gesträuch und hatte nun die rund dreißig Meter entfernte Rückansicht des Apartmenthauses vor sich.
    Die Tür zum Souterrain war geschlossen, aber das Fenster darüber stand offen, wahrscheinlich, um das Treppenhaus zu lüften. An keinem der Fenster war ein Gesicht zu sehen.
    Sport ist Mord, dachte Green, aber was tut man nicht alles! Er sprintete quer durch den Garten direkt auf die Hintertür zu. Etwa einen Meter davor sprang er ab und erwischte mit den Händen die Kante des offenen Flurfensters. Um den Schwung des Absprungs auszunutzen, zog er sich übergangslos in die Stütze und setzte mit einer eleganten Hocke in den Hausflur.
    5,8 – 6,0 – 5,9, dachte er. Und natürlich hat wieder niemand zugesehen!
    Er zog Kossoffs Wohnungsschlüssel aus der Tasche seiner Jacke und nahm die Treppe nach oben. Wenig später stand er vor der Tür des Apartments.
    Einige Zentimeter unterhalb des Türschlosses klebte das Polizeisiegel. Der Engländer ging in die Hocke und nahm den hochoffiziellen Sticker in Augenschein. Das runde, selbstklebende Emblem der State Police war genau über dem Türspalt befestigt worden. Green fuhr mit dem kleinen Finger darüber. Der Teil, der am Türrahmen haftete, fühlte sich so glatt an, wie man sich das vorstellte. Die andere Hälfte machte allerdings keinen so unversehrten Eindruck mehr. Sie warf kleine Wellen und hatte eine mattere Oberfläche.
    Soso, dachte Green, der alte Trick. Wenn das Siegel relativ frisch aufgeklebt war, ließ es sich durch kurzes Erhitzen, zum Beispiel mit einer starken Lampe, relativ leicht ablösen, weil der Kleber auf der Rückseite weich wurde. Allerdings sah es hinterher nicht mehr ganz so schön aus. Aber das bemerkte man nur, wenn man genau hinsah.
    Er griff in die rechte Innentasche seiner Jacke. Dort pflegte er ein Mini-Opernglas mit sich herumzutragen, das ihm schon viele gute Dienste geleistet hatte. Man konnte zu gegebener Zeit einfach weiter sehen als andere. Green schraubte ein Okular heraus und führte es wie ein Monokel ans Auge. Dann begutachtete er mit Hilfe dieser provisorischen Lupe das Türschloß. Siegel erbrechen allein reichte nicht. Man mußte auch noch die Wohnungstür öffnen, und das ging ohne Schlüssel nur dann, wenn man mit einem Dietrich im Schloß herumfuhrwerkte.
    Er pfiff leise durch die Zähne. Da waren Profis am Werk gewesen. Er mußte sogar sein Feuerzeug aufflammen lassen, um im Schattenspiel der kleinen Flamme die feinen Schrammen erkennen zu können, die der Dietrich am Schloßzylinder hinterlassen hatte.
    Der Engländer erhob sich, setzte sein Opernglas wieder zusammen und schloß dann vorsichtig die Tür auf. Nachdem er noch einmal sichernd den Flur entlanggeschaut hatte, schob er die Tür ein wenig auf und schlüpfte geräuschlos hinein. Nach den Erfahrungen mit dem Mercury und den Typen im Hotel konnte man nicht vorsichtig genug sein.
    Sekundenbruchteile später war der Vorsatz der Geräuschlosigkeit allerdings so hinfällig wie eine offene Flasche Vollmilch, die eine Woche in der Sonne gestanden hat. Green war beim Eintreten in Kossoffs Apartment mit dem linken Fuß auf ein Stück Papier getreten, das auf dem Teppichboden herumlag. Diese effektive Gleithilfe riß ihm das Standbein weg, und er rutschte mit den Füßen in ein kleines Bücherregal, das mit ohrenbetäubendem Krach, eine große Bodenvase mit sich reißend, umstürzte.
    Der Engländer blieb einen Moment lang flach auf dem Rücken liegen und seufzte resigniert. Von wegen 5,9, dachte er. Welch ein Lärm! Meistens war es eben doch günstig, wenn niemand zusah.
    Er erhob sich langsam, schloß die Tür und sah sich dann um. Offenbar war das

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