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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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Moment war Stille in der Leitung. »Schon gut, Miss Hartfield, dann eben erster Klasse.« Seufzend schüttelte Sir Ronald den Kopf. Dieser Green beherrschte mitunter eine Art von offensiver Diplomatie, der selbst er nichts entgegenzusetzen hatte.

New Haven, Connecticut, USA
    I dwood Green verließ die Telefonzelle und kletterte hinter das Steuerrad des Dodge Pick-up. Das Gespräch mit Sir Ronald hatte den vorhergesehenen Verlauf genommen. Der Chef konnte mitunter recht brummig werden, war aber vernünftigen Kompromissen gegenüber immer aufgeschlossen. Wahrscheinlich würde Abbott auch in diesem Fall Verständnis dafür aufbringen, daß Green nach den Anschlägen auf Angela MacRae und sich selbst durchaus einen Anlaß gesehen hatte, länger als geplant in New Haven zu bleiben.
    Er warf einen Blick auf die Armbanduhr. Nein, eine Abendmaschine nach London war auf keinen Fall zu schaffen, vor allem dann nicht, wenn er vorher ein weiteres Mal versuchen wollte, Kossoffs Wohnung in Augenschein zu nehmen. Zum Glück hatte er noch einen Platz in der Concorde reservieren können. Der überschallschnelle weiße Vogel startete am frühen Morgen von New York aus nach London. Das bedeutete, daß er inklusive Zeitverschiebung am späten Nachmittag des nächsten Tages in der britischen Hauptstadt eintreffen würde. Und mehr, als daß er am Nachmittag käme, hatte er Abbott ja nicht zugesagt. Zu sehr wollte Green den Alten auch nicht reizen.
    Gute zwanzig Minuten später steuerte der Engländer seinen Dodge auf den Parkplatz des Connecticut Limousine -Terminals im südwestlichen Industriegebiet New Havens und nahm dort ein Taxi. Sein Fahrtziel war die Cramer Street, eine Parallelstraße der Ronan Street. Diesmal wollte er nicht wie auf dem Präsentierteller vor Charles Kossoffs Apartmenthaus erscheinen.
    Der Taxifahrer fuhr einen ziemlich flotten Reifen, denn nach knappen zehn Minuten hatten sie die Innenstadt hinter sich gelassen und passierten Woolsey Hall und Ingall's Rink, die Eishockey-Arena. Wenige Meter später erblickte Green auf der rechten Seite der Prospect Street den dunkelbraunen, imposanten Steinklotz, in dem Kossoff gearbeitet hatte und der zu Ehren seines Initiators und Financiers den Namen Kline Biology Tower trug.
    Eine merkwürdige Stadt, dachte Green. Beherbergt die Yale University, immerhin eine der berühmtesten Privatuniversitäten der Welt, und gehört dennoch zu den zehn ärmsten Städten der gesamten Vereinigten Staaten. Er wandte den Kopf nach links. Die kleinen, leicht abfallenden Straßen auf dieser Seite entschwanden nach wenigen Metern aus dem Blick, denn sie waren von dichtem Baumwuchs gesäumt. Aber da unten, nach weniger als fünfhundert Metern, stand die verfallene Fabrikhalle der Firma, die für den finanziellen und sozialen Niedergang New Havens verantwortlich gewesen war. Die Winchester- Waffenfabrik hatte zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg Massen von Arbeitssuchenden, vor allem Schwarze, nach New Haven gezogen. Aber die neuen Entwicklungen der Schußwaffentechnik gingen unbemerkt und viel zu schnell an der Firmenleitung vorbei, und so folgte dem Zweiten Weltkrieg auch der Konkurs der Winchester- Fabrik . Seitdem lagen dort unten, auf der westlichen Seite des sogenannten Science Hill, die Armenviertel der Universitätsstadt, mit einzelnen Straßen, in die sich noch nicht einmal die Polizei wagte. Die Leute dort, in der Hauptsache mit schwarzer Hautfarbe, hatten keine Chance auf ein regelmäßiges Einkommen, denn die Kapazitäten des größten Arbeitgebers der Stadt, Yale, waren schon lange erschöpft.
    Die andere, östliche Seite des Science Hill stellte nicht nur aus geographischer Sicht einen absoluten Gegensatz zur Westseite dar. Hier gab es beschauliche, ruhige Alleen, in denen gepflegte Einfamilienhäuser im Schatten alter Bäume standen. Hier wohnte die privilegierte Hälfte der New Havener, zum beträchtlichen Teil natürlich Professoren, Dozenten und Angestellte der Universität.
    Der Engländer schüttelte nachdenklich den Kopf. Er kannte Gegenden auf der Welt, wo solche Gegensätze unweigerlich einen Bürgerkrieg heraufbeschworen hätten. Nicht so hier. Aber vielleicht lag das an der Nähe des Molochs New York, der erfolgreich vorführte, wie sich Arm und Reich arrangieren konnten, wenn auch meist auf Kosten der Armen.
    Das Taxi hielt.
    Green bezahlte den Fahrer und stieg aus.
    Die Cramer Street lag etwa fünfundsiebzig Meter von der Ronan Street entfernt. Green schlenderte im

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