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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe A. O. Heinlein
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sich kurz, daß Seitz keine Legitimation von ihm hatte sehen wollen, und machte sich dann auf den Weg zu Kossoffs Zimmer. Als er die Tür des Fotolabors passierte und überlegte, ob er der jungen Dame von vorhin noch einmal seine Aufwartung machen sollte, da öffnete sich auch schon die Tür, die bereits einen Spalt offengestanden hatte, und Katie Pafka winkte ihn nervös heran.
    »Schnell, kommen Sie herein.« Sie ergriff seinen Unterarm und zog ihn ins Fotolabor. Wie zur Vorsicht warf sie noch einen Blick auf den Flur und schloß dann die Tür.
    Green sagte kein Wort und sah sie nur an.
    Katie begann stockend zu sprechen. »Mr. Green, so heißen Sie doch, nicht?«
    Der Engländer nickte.
    »Sie haben mir vorhin erzählt, Sie seien der Schwager von Charles' Schwester. Stimmt das?«
    Wieder nickte er schweigend.
    Die Fotografin schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht glauben, Mr. Green. Ich habe alle Familienfotos von Charles gesehen und kann mich nicht an Sie erinnern. Außerdem hat er nie erwähnt, daß sein Schwager noch einen Bruder hat!« Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. »Also, wer sind Sie, und weshalb schnüffeln Sie hinter einem Toten her, der Sie nichts angeht?«
    Die Kleine war ganz schön pfiffig und aufgeweckt. Woher nahmen Frauen bloß dieses unglaubliche Gedächtnis, wenn es um die Namen und Einordnung der Verwandtschaft ging? Aber das half alles nichts, er mußte eine Entscheidung treffen.
    »Sie haben natürlich recht. Ich bin kein Verwandter der Familie Kossoff. Charles' Schwester Angela ist eine Bekannte meiner Freundin. Weil sie nicht gern allein hierhergereist wäre, um die Leiche ihres Bruders abzuholen, hat sie mich gebeten mitzukommen. Und damit ich nicht dauernd einem solchen Erklärungszwang ausgesetzt bin wie jetzt, haben wir einen entfernten Verwandtschaftsgrad erfunden, der meine Gegenwart ohne langes Gerede rechtfertigt. Ich hoffe, Sie sehen mir diesen kleinen Schwindel nach, Ms. … äh, wie heißen Sie eigentlich?«
    »Katie Pafka. Ihre Erklärung klingt gut, aber ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich Ihnen glauben darf.«
    »Hier, möglicherweise überzeugt Sie das.« Er holte einige der Papiere heraus, die ihm Angela übergeben hatte, und reichte sie der Fotografin. »Meine Referenzen!« Er grinste.
    Katie Pafka überflog die Vollmachten und gab sie Green zurück. »Entschuldigung, aber ich wollte nur ganz sichergehen.«
    Der Engländer nickte. »Schon gut. Aber sagen Sie doch mal, wieso Sie überhaupt auf den Gedanken kommen, ich würde mich für jemand anderen ausgeben?«
    »Das werden Sie gleich verstehen, wenn Sie mich angehört haben.« Sie räusperte sich kurz. »Was hat man Ihnen denn erzählt, wie Charles umgekommen ist?«
    »Nun, die – wie soll ich sagen – offizielle Version. Betrunkener Mann torkelt auf die Straße und wird von Auto überfahren. Wieso fragen Sie das?«
    »Das ist völliger Quatsch! Ich war hier an dem Abend, als es passiert ist. Charles hat auch gearbeitet. Es wurde ziemlich spät. Er mußte seine Experimente fortführen, und ich war mit den Fotos für den Kongreß in Washington beschäftigt. Dann wollten wir noch in einen Pub gehen. Aber irgendwie ist es nicht dazu gekommen. Charles ist gegen Mitternacht gegangen, und zwar ohne sich zu verabschieden. Ich war zuerst ganz schön sauer, als ich es bemerkt hatte. Aber eins weiß ich so sicher, wie ich hier vor Ihnen sitze, Mr. Green: Charles Kossoff war nicht betrunken! Ich gehe noch weiter: Er hatte an diesem Tag überhaupt keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen. Charles trank nie Alkohol.«
    Green nickte. »Ich weiß. Aber wir vermuteten, daß er vielleicht ein Problem hatte und sich deshalb einen hinter die Binde gekippt hat.«
    Katie Pafka schüttelte heftig den Kopf. »Vergessen Sie das! Charles war ein hundertprozentiger Wissenschaftler, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er hatte den Kopf voller Fragen und Ideen. So voll, daß er kaum dazu kam, sich um die alltäglichen Probleme des Lebens zu kümmern, wie einkaufen, Rechnungen bezahlen, waschen und so weiter. Solche Leute bekommen so schnell keine Probleme. Die kriegen nur die anderen, mit denen sie zu tun haben.«
    Green lächelte und nickte. So war er auch mal fast gewesen, damals im Imperial College. Ein faszinierender Zustand. Irgendwie völlig losgelöst.
    »Woran denken Sie, Mr. Green?«
    Katie Pafkas Stimme riß ihn aus den Gedanken.
    »Äh, nichts, schon gut. Wenn Sie also sagen, er wäre nicht betrunken gewesen, wieso war

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