Der Insulaner
sämtliche Nahrungsmittel, die man nicht den Winter hindurch lagern konnte, zu verzehren.
Die folgenden Monate waren beschwerlich. Heftiger Schneefall und Sturmwinde suchten die Hügel heim. Die Jäger zogen täglich in die Wälder, doch es gab nicht viel Wild. Die Tiere, die um diese Zeit erlegt wurden, schätzte man mehr ihrer Felle als des Fleisches wegen. Im Frühling konnten die Matwa die Pelze eintauschen. Hael wollte so viele Cabos wie möglich erstehen, stieß aber wieder einmal auf Widerstand, da viele Matwa die Pelze gegen herkömmliche Handelsgüter eintauschen wollten. Hael entgegnete, dass sie, je größer ihr Cabobesitz war, immer wohlhabender werden würden, aber viele Matwa dachten anders als er.
Es war mühsam, Futter für die Cabos zu finden, denn man musste riesige Weideflächen vom Schnee befreien, um das Gras freizulegen. Es dauerte lange und war harte Arbeit, doch gegen Ende des Winters war die kleine Herde auf hundertzwanzig Tiere angewachsen. Die Amsijungen wunderten sich, dass so viele Fohlen überlebt hatten und kaum eines der älteren Tiere während der eisigen Kälte eingegangen war. Sie hielten dies Haels besonderer Gabe, mit den Tieren umzugehen, zugute, und er pflichtete ihnen bei. Er verbrachte jeden Augenblick, den er erübrigen konnte, bei seinen geliebten Cabos.
Wenn das Wetter es zuließ, unterrichtete er die Matwa weiterhin im Bogenschießen. Aus insgesamt vier Dörfern wählte er eine kleine Schwadron junger Männer aus, die in Zukunft die Armee, von der er träumte, ausbilden sollte. Es handelte sich um die fünfzig besten Bogenschützen und Reiter; Männer, die in unverbrüchlicher Treue zu ihm standen. Er hatte vor, sie bei Frühlingsanbruch mit in die Steppe zu nehmen. Dafür gab es verschiedene Gründe.
Zuerst einmal sollten sie Erfahrung als unabhängige Truppe sammeln. Ihr Leben lang hatten sie sich allein auf ihr Dorf bezogen. Jetzt mussten sie sich daran gewöhnen, auch in fremder Umgebung zurechtzukommen. Außerdem brauchte Hael mehr Cabos. Die natürliche Vermehrung dauerte zu lange, Handel war kostspielig, und die Amsi weigerten sich, mehr als ein Minimum ihrer kostbaren Tiere abzugeben. Wenn er mehr von ihnen forderte, würde das die frischen Bande zwischen den Völkern zu sehr strapazieren.
Die Amsi hatten Hael erzählt, dass es in der Steppe wilde Caboherden gab. Sie setzten sich aus zahmen, entlaufenen Tieren zusammen, die sich mit ihren frei lebenden Vettern gepaart hatten. Größtenteils handelte es sich um kleine gedrungene Cabos, aber man hatte Hael versichert, dass sie sich innerhalb weniger Generationen durch sorgfältige Zucht in hervorragende Reittiere verwandelten. Deshalb wollte er mit seinen Männern auf Cabojagd gehen.
Als endlich der letzte Schnee geschmolzen war, ließ Hael die fünfzig Reiter ihre Cabos satteln. Er hatte gesunde Tiere ausgewählt, jedoch nicht die wertvollsten Zuchtcabos. Er hoffte, mit vielen Tieren zurückzukehren und damit unter Umständen erlittene Verluste auszugleichen. Ein paar der Reiter besaßen bereits die neuen Bögen. Hael hatte geglaubt, alle mit den kürzeren Waffen ausrüsten zu können, aber die Bogenmacher ließen sich nicht drängen. Die Anfertigung der Waffen war eine langwierige Arbeit, und nicht einmal mit größter Geduld brachte man den Klebstoff dazu, schneller fest zu werden. Bis zum Frühsommer würde jeder Reiter eine neue Waffe besitzen, aber keinesfalls früher.
Deena brachte Hael Kleidung zum Wechseln, die sie während des Winters für ihn angefertigt hatte. »Bis zum Ende des Sommers musst du zurück sein«, sagte sie und stopfte das Bündel in seine Satteltaschen. Ihr Gesicht glühte, und unter dem blau-rot karierten Kleid zeigte sich die sanfte Wölbung ihres Leibes.
Er umarmte und küsste sie und zauste ihr Haar. »Glaubst du, ich will die Ankunft unseres ersten Kindes verpassen? Dafür würde ich sogar von den Toten auferstehen.«
Ein Schatten überflog ihr Gesicht. »Sag das nicht. Ich will dich gesund und munter in die Arme schließen.«
»Dann verspreche ich dir, heil und ganz zurückzukehren«, antwortete er und küsste sie ein letztes Mal.
Hael schwang sich auf sein Cabo. Der kurze Bogen und die Pfeile steckten in einem Köcher, der neben seinem linken Bein hing, und der Speer befand sich in einer Halterung vor dem rechten Fuß. Dieser Speer eignete sich nicht gut für den Kampf vom Cabo aus, aber Hael ertrug es nicht, ihn zurückzulassen. Diese Erinnerung an sein früheres Leben
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