Der Insulaner
wollte er niemals ablegen.
Ein paar Dorfbewohner, die sich zum Abschied versammelt hatten, trugen besorgte Mienen zur Schau, aber der größte Teil winkte ihnen zu und bedachte sie mit guten Wünschen. Die Reiter, die fast ausschließlich aus jungen Männern bestanden, grüßten lächelnd zurück und brannten darauf, endlich aufzubrechen. Auch Hael war froh, wenn nur die Trennung von Deena nicht gewesen wäre. Die letzten Wochen des Winters waren furchtbar gewesen, und nur seine zahlreichen Pflichten hatten ihn davon abgehalten, den Verstand zu verlieren. Er wusste jetzt, dass es nicht seinem Naturell entsprach, sich bei heftigem Schneefall tagelang mit unzähligen Menschen auf einem Haufen herumzudrücken. Dieser Winter war eigentlich noch grässlicher gewesen als jener, den er mit Shongs Karawane verbracht hatte – obwohl er sich hier hatte besser beschäftigen können. Er war noch immer ein Kind seiner warmen und weitläufigen Heimat, wo die Menschen den größten Teil ihres Lebens im Freien verbrachten.
Jetzt, als er in Richtung Steppe ritt, fühlte er sich wie ein Gefangener, der dem Kerker entronnen ist. Wäre Deena bei ihm gewesen, hätte sein Glück keine Grenzen gekannt. Auch die Cabos wurden lebhafter, als sie begriffen, dass sie in die Ebene zurückkehrten. Sie schnaubten, schüttelten die gehörnten Köpfe vor Aufregung und sogen die wärmere Luft begierig ein.
Da Männer und Tiere durch die langen Wintermonate aus der Übung waren, ordnete Hael in den ersten Tagen ein ruhiges Tempo an und ließ das Nachtlager aufschlagen, ehe die Sonne den westlichen Horizont berührte.
Der erste Tagesritt brachte sie bis an die sanft gewellten Hügel, die das Hochland von der Steppe trennten. Sobald sie ihr Lager aufschlugen, stellte Hael Wachen auf, und die Krieger überprüften die Hufe und Rücken der Cabos. Danach erst entzündeten sie Feuer und packten ihre Vorräte aus. Unterwegs hatten sie ein paar Tiere erlegt, und einer der jungen Burschen machte sich daran, die Beute zu häuten und auszunehmen, ehe man sie zubereitete.
Hael war zufrieden. Das schien ein gutes Leben für junge Männer zu sein, und er war sicher, dass nur wenige, wenn sie sich erst einmal daran gewöhnt hatten, gerne wieder im Dorf leben würden, wo sie jagten, Fallen stellten und dem kargen Boden mühselig Erträge abringen mussten.
Wenn die Krieger in die Heimat zurückkehrten, würden sie während der ganzen Wintermonate von den Abenteuern des Sommers erzählen. Beim nächsten Frühlingsanfang würden alle jungen Burschen sich darum prügeln, mit von der Partie zu sein. Und später …
Hael riss sich aus seinen Träumen. Er musste einen Schritt nach dem anderen tun. Malk hatte ihm beigebracht, dass bei Beginn jeder neuen Reise eine kurze Eingewöhnungszeit vonnöten war, bis sich alle Matrosen in ihre Arbeit gefunden hatten. Sogar bei erfahrenen Seeleuten, die das Schiff schon kannten, war das notwendig. Im Augenblick beschäftigte sich Hael in Gedanken mit der für ihn und seine Leute nötigen Eingewöhnung. Männer und Tiere mussten von nun an mit sich und den vielfältigen neuen Pflichten vertraut werden.
Am dritten Tag hatten die Reiter und Cabos ihre anfänglichen Muskelschmerzen und das Wundsein überwunden. Hael beobachtete seine Gefährten ganz genau, da er herausfinden musste, wer den besten Orientierungssinn hatte. Diesen Kriegern übertrug er die Wache an den Flanken und an der Spitze. Sie erhielten den Auftrag, kleine oder mittelgroße Beutetiere zu erlegen, die einfach auszunehmen und zuzubereiten waren. Da es in der Steppe um diese Jahreszeit von herumziehenden Herden nur so wimmelte, fehlte es ihnen nie an frischem Fleisch, wenn sie ihr Lager aufschlugen.
Hael lernte, dass das Leben eines Anführers nicht frei von Sorgen ist. Als die Tage dahingingen, freute er sich über die Fortschritte seiner Truppe, wurde aber von tausend Sorgen geplagt. Er fand keinen Gefallen mehr daran, dem Wind zuzuschauen, der die Steppengräser streichelte, wie er es früher getan hatte, sondern dachte fortwährend darüber nach, dass sich die in der Erde wühlenden Tiere dort verbergen konnten. Selbst der kleine, harmlose Horngräber konnte das mächtigste Cabo zu Fall bringen, wenn es sich mit dem Huf in einer seiner Gruben verfing. Die Krieger verstanden sich gut, aber dennoch kam es zu Streitereien und gelegentlichem Zank, den Hael oftmals schlichten musste.
Immer, wenn sie einer umherstreifenden Amsigruppe begegneten, lag eine gewisse
Weitere Kostenlose Bücher