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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Bogen einen fast geschlossenen Kreis. In gespanntem Zustand änderte sich die Krümmung, und die Enden der Waffe bogen sich nach vorn.
    »Ich sah einen solchen Bogen vor vielen Jahren«, erklärte der Mann. »Er kam aus dem hohen Norden, aus den mit Eis bedeckten Ländern. Dort gibt es fast nur immergrüne Wälder mit wenig hartem Holz, daher strecken sie ihre Vorräte und benutzen viel Horn, Sehnen und einen Klebstoff, der viel stärker ist als der unsere. Die Menschen dort oben sind sehr klein und brauchen diese stark gekrümmten Bögen, deren zweite Biegung nach vorn den Pfeilen noch einen zusätzlichen Schub zu verleihen scheint. Als man mir sagte, wonach du suchst, habe ich diese Waffe angefertigt. Sie ist sehr stabil, da sie auch im Krieg eingesetzt werden soll, und die Krümmung fertigte ich noch ein bisschen ausgeprägter als bei den Bögen aus dem Norden. Die ersten drei brachen in der Mitte durch oder fielen auseinander, aber bei diesem hier habe ich die Abmessungen und den Klebstoff gut eingesetzt.«
    »Ich will ihn ausprobieren!« rief Hael und ließ Trittsicher herbeiführen. Den Rest des Tages verbrachte er damit, die Waffe auf die unterschiedlichsten Ziele zu richten. Das Spannen des Bogens war bedeutend umständlicher als bei den üblichen Waffen, aber sonst erwies er sich für das Schießen vom Caborücken aus in jeder Hinsicht als vorzüglich. Dank seiner geringen Größe ließ er sich leicht handhaben und nur mit einer leichten Bewegung des Handgelenks über den Nacken des Reittieres heben. Haels Augen funkelten vor Vergnügen, wenn er den Bogen spannte und der Pfeil dem Ziel entgegenflog. Schließlich zügelte er das Cabo und sprang vor dem Bogenmacher ab.
    »Genau, was wir brauchen! Wie viele kannst du herstellen, und wie schnell sind sie lieferbar?«
    »Nun, es dauert seine Zeit, vielleicht …«
    Hael ließ ihn nicht ausreden. »Wir müssen alle Bogenmacher zusammentrommeln. Kannst du die anderen lehren, diese Waffen anzufertigen?«
    »Ich denke schon, aber, um ehrlich zu sein, ich bin geschickter als die meisten anderen meiner Zunft. Allerdings ähneln die Bögen den Waffen aus alter Zeit, haben nur eine andere Form. Vielleicht, in einigen Jahren …«
    »Soviel Zeit habe ich nicht.« Hael dachte fieberhaft nach. »Wir werden ein großes Bogenmacherhaus im Dorf einrichten. Du wirst der Lehrmeister sein. Wir schaffen die notwendigen Materialien herbei, und du darfst dir so viele Gesellen aussuchen, wie du nur willst. Die Bogenmacher der anderen Dörfer werden herkommen, bei dir lernen und dann heimgehen, um die neuen Waffen selbst zu bauen. Was hältst du davon?«
    »Nun, bisher hat noch nie jemand … ich meine … es ist so, dass …« Angesichts der grimmigen Entschlossenheit Haels versiegte jeglicher Widerspruch, den der Mann hatte äußern wollen. Schließlich zuckte er die Achseln. »Na gut.«
    Hael schlug ihm auf die Schulter. »Gut. Es gefällt mir, wenn ein Mann den rechten Weg einschlägt, ohne mich lange mit nichtigen Reden aufzuhalten.«
    Haels zweites Anliegen war, einen Platz zu finden, an dem er mit Deena allein sein konnte. Die überfüllten Matwahäuser boten ihnen keine Gelegenheit für Zweisamkeit. Sobald sie ein paar Stunden miteinander verbringen wollten, stahlen sie sich in den Wald, und als das Wetter unfreundlicher wurde, errichtete Hael eine Hütte, wie sie die Shasinn auf Gale bauten. Doch schon bald war es auch darin viel zu kalt.
    Die Zeit bis zum Mittwinterfest schien kein Ende nehmen zu wollen, aber dann war es doch soweit. Von deftigen Scherzen der Dorfbewohner begleitet, versammelten sich alle Liebespaare. Sie trugen Festgewänder; die Bräute, von denen etliche sich schon in den verschiedensten Stadien der Schwangerschaft befanden, waren mit bunten Bändern und aus Beeren gefertigten Ketten geschmückt. Die Zeremonie fand am Mittwintertag bei Sonnenaufgang unter der Schirmherrschaft des Häuptlings statt. Bei den Matwa gab es kaum Geistersprecher, und diese Männer gaben sich nicht mit Hochzeiten ab, nahmen aber hin und wieder an Begräbnissen oder dem Namensfest eines Kindes teil.
    Der Häuptling hielt eine schlichte kurze Rede, und dann traten die verheirateten Frauen des Dorfes vor, bewarfen die Paare mit getrockneten Blütenblättern und bespritzten sie mit frischem Wein. Als die Sonne den Horizont hinter sich ließ, erscholl lauter Jubel, und das Fest begann. Abgesehen von dem Segen, der allen Paaren zuteil wurde, bot sich hier eine günstige Gelegenheit,

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