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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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während die jungen Krieger die beiden spitz zulaufenden Flanken stellten, die den Feind einkreisen und den älteren Männern entgegentreiben sollten.
    Die älteren Krieger trugen ihr Haar lang, konnten es aber zu einem Zopf flechten oder zusammengebunden tragen. Manche flochten es auch zu zwei Zöpfen, die ihnen zu beiden Seiten des Kopfes über die Schultern hingen. Sie waren mit Lendenschürzen, Kilts und kurzen, auffällig gemusterten Tuchumhängen in leuchtenden Farben bekleidet. Einige von ihnen hatten ihre zahlreichen Narben voller Stolz mit roter Farbe hervorgehoben.
    Die Ältesten hüllten sich in lange Umhänge und trugen keinerlei Waffen, nur Wanderstäbe. Ihr graues Haar war kurz geschoren, und kaum einer trug Schmuck. Das war auch unnötig, denn ihre Stellung umhüllte sie wie ein unsichtbarer Mantel, und ein jeder von ihnen war wohlhabend, mit zahlreichen Kaggas, Frauen und Kindern. Die meisten lebten in kleinen Familienverbänden außerhalb des Dorfes. Jede ihrer Frauen besaß eine eigene Hütte, und die Herden wurden in Pferchen gehalten. Allein der Anblick eines solchen Familienlagers und die Anzahl der aufgestellten Hütten vermochte jedem Beobachter Auskunft über den Reichtum des betreffenden Ältesten zu geben. Diese Männer bedurften zahlreicher Kinder, um das Vieh zu bewachen, obwohl einige darunter waren, die sich Gefangene als Arbeitssklaven hielten. Dieser Brauch war erst vor wenigen Generationen aufgekommen und bei den Shasinn noch immer heiß umstritten. Nicht mehr als einer von zehn jungen Männern überlebte, um dereinst als Ältester die Geschicke des Stammes zu leiten. Die übrigen wurden durch Kämpfe, Verletzungen, wilde Tiere und Krankheiten dahingerafft. Ebenso wenige Frauen erreichten ein hohes Alter. Bei ihnen waren der Tod im Kindbett und die Verschleppung durch Feinde oder Sklavenjäger für die geringe Zahl der Überlebenden verantwortlich.
    Während die erwachsenen Männer im Schatten ruhten, übten sich die Heranwachsenden in der Kriegskunst. Einige rangen heftig miteinander. Sie grunzten und stöhnten und wirbelten dichte Staubwolken auf, die sich über die glänzenden, mit Faustnußöl eingeriebenen Körper niedersenkten. Andere übten mit den Wurfstäben. Diese Stäbe bestanden aus Bronzeholz und waren so lang wie die Entfernung vom Ellenbogen eines Kriegers bis hin zu seinen Fingerspitzen. Der Griff war daumendick, mit einem beinahe faustgroßen Knauf am Ende. Während der Schlacht umklammerten die Kämpfer fünf oder sechs dieser Stäbe, die sie mit großer Genauigkeit und knochenzerschmetternder Kraft warfen. Die jungen Burschen schleuderten sie während der Übungen aufeinander zu, und das ›Opfer‹ musste sich ducken, zur Seite springen oder konnte sich mit einem kleinen Zeremonienschild schützen. Das Krachen, wenn ein Stab gegen die kleinen, mit Häuten bespannten Schilde prallte, war im Umkreis von mehreren hundert Schritt zu hören. Besonders geschickte Jungen fingen die Stäbe auf und warfen sie zurück, aber das erforderte ungeheure Konzentration, denn die Wurfgeschosse vermochten eine Hand zu einer nutzlosen Masse aus Fleisch und Knochen zu zerschmettern.
    Die Ziele der Speerwerfer bestanden aus mannshohen geflochtenen Körben, die mit Gras vollgestopft waren. Hael übte sich mit einigen Gefährten daran, während ein paar ältere Krieger, die in der Nähe standen, nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hielten. Die Wurfspeere waren fünf Fuß lang und wogen höchstens ein Drittel des Gewichtes der Kriegerspeere. Sie waren aus hartem Holz geschnitzt und hatten bronzene Spitzen. Diese Spitzen wurden von den Booten des Festlandes zu Tausenden zur Insel gebracht. Nach einer Schlacht konnte man sie einsammeln und unzählige Male wiederverwenden. Die wertvollen, kunstvoll gearbeiteten Kriegerspeere wurden nur im Notfall geworfen und zwar, wenn der Kämpfer noch über eine Zweitwaffe, ein Schwert oder eine Axt, verfügte.
    Ein Junge namens Sounn nahm einen Wurfspeer in die Hand und trat vor. Weit bog er den Arm zurück, riss ihn dann nach vorn und schleuderte den Speer auf eines der am nächsten stehenden Ziele. Der Wurf war nicht schlecht, aber leider hatte Sounn den leichten Wind außer acht gelassen, und die Waffe stieß gegen die linke Seite des Zielkorbes, prallte ab – und die Spitze bohrte sich in den Boden. Die älteren Krieger, die inzwischen schon reichlich Ghul getrunken hatten, grölten laut.
    »Der Wurf wäre uns schlecht bekommen, damals, als wir

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