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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Erstere lauerten im hohen Gras. Sie waren nicht besonders groß und wogen bis zu dreißig Pfund, aber ihre übergroßen Kiefer mit den scharfen Zähnen stellten eine kraftvolle Waffe dar. Meist ernährten sie sich von Aas, stürzten sich jedoch auch begierig auf jedes hilflose Tier.
    Die Fliegen waren überall. Am fünften Tag hingen sie in dichten Trauben an jedem Lebewesen im Umkreis der Herde und ließen sich nicht vertreiben.
    »Die Streiflinge sind mir lieber«, erklärte Hael. »Fliegen sind wie Zecken: Wenn du Vieh hast, sind immer welche in der Nähe, aber heute sind sie einfach unerträglich. Ich freue mich schon auf den Tag, an dem wir die Herden wieder trennen und auf neue Weiden treiben. Allmählich kann man kaum mehr atmen.«
    Mehr als ein Dutzend junger Männer hielt südlich der großen Kaggaherde Wache. Hier bot das dichte Buschwerk und Gestrüpp den zwei- und vierbeinigen Räubern gute Deckung. Kinder hatten bei Anbruch der Dämmerung ein großes Feuer entfacht und legten eifrig Brennstoff in die gierigen Flammen. Daneben standen mit Tüchern bedeckte Krüge, die Blut und Milch enthielten, Töpfe mit Honig und Brei, und mit Früchten gefüllte Körbe.
    Die pflanzlichen Speisen waren den jungen Kriegern verboten, aber als sie am Feuer saßen, labten sie sich an Milch und Blut, die sie mit Honig vermischten. Während es immer dunkler wurde, nahmen die Stechmücken den Platz der Fliegen ein. Die Jungen, die heftig mit den Kaggaschwänzen um sich schlugen, sahen im flackernden Schein der Flammen wie eine eigenartige Mischung aus Mensch und Tier aus.
    Eine kleine Gruppe Krieger, angetan mit der dunklen Haut der Pelzschlange, tauchte vor ihnen auf. »Irgendwelche Raubkatzen?« erkundigte sich einer von ihnen.
    »Nein«, antwortete Hael. »Und bei euch?«
    »Im Osten haben wir Graskatzenpisse gerochen. Anscheinend schleicht sich ein ziemlich großes Biest an.«
    »Es wird euch aber keinen Kummer bereiten, wenn ihr auf der Hut seid«, erklärte ein zweiter Krieger. »Zwei oder drei Leute mit Speeren bewaffnet, die genau wissen, was sie zu tun haben, können mit einer Katze fertig werden. Nur gut, dass die Pelzschlangen um diese Jahreszeit schlafen.« Immer wieder erinnerten die Pelzschlangen andere Menschen daran, wie gefährlich ihr Totemtier war, da man es nur selten zu Gesicht bekam. Es handelte sich nicht um richtige Schlangen, da sie winzige, aber nutzlose Beine besaßen. Ihr Körper war so dick wie der Oberschenkel eines Mannes und sechs Schritt lang. Das schmale Maul beherbergte scharfe, gebogene Zähne. Sie lauerten in den Gängen, die von anderen Tieren gegraben worden waren und streckten nur die empfindlichen, zuckenden Nasen über die Erdoberfläche hinaus. Näherte sich ein Mensch oder ein Tier, schossen sie mit großer Geschwindigkeit heraus und wanden sich um ihr Opfer herum.
    »Wenn ihr eine getötet habt, kann sie nicht besonders gefährlich sein«, erklärte Raba spöttisch. »Die Nachtkatze dagegen …«
    Er wurde durch die Ankunft eines Boten unterbrochen.
    Schwer atmend blieb der Mann neben dem Lagerfeuer stehen, beugte sich vornüber und stützte die Hände auf die Knie. Offenbar hatte er schon eine große Strecke in schnellem Tempo zurückgelegt. Alle Anwesenden schwiegen, bis er wieder zu Atem gekommen war. Als er sich aufrichtete, reichte ihm eine der Pelzschlangen einen Wasserschlauch. Der Bote nahm einen Schluck Wasser und spuckte ihn wieder aus, um den Staub aus dem Mund zu entfernen. Dann trank er ein wenig. Schließlich teilte er den jungen Männern seine Botschaft mit.
    »Ich bin Tusa aus Lingasa. Mordvogelbruderschaft.« Die schwarzen Schwanzfedern des Totemtieres steckten im Haar des jungen Kriegers. »Wir haben Spuren gefunden. Ein Langhals. Vielleicht läuft er in diese Richtung.«
    »Ich hole die Anführer!« rief Luo und sprang auf.
    Die Jungen umklammerten ihre Speere und starrten in die Dunkelheit, die sie außerhalb des Feuers wie ein undurchdringlicher Mantel umgab. Sie bemühten sich, gelassen zu wirken, aber ihre Furcht ließ sich nicht verbergen. Der Langhals war das gefährlichste aller Raubtiere. Sein riesiger Körper war sechsmal so lang wie der eines Mannes, doch dank der kurzen, kräftigen Beine blieb er im hohen Gras verborgen und wurde oft erst entdeckt, wenn es bereits zu spät war. Der lange, biegsame Hals konnte sich blitzschnell drehen, und im Maul des dreieckigen Kopfes verbargen sich schreckliche Zähne. Selbst der Schwanz glich einer furchtbaren Waffe:

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