Der Insulaner
vorzuwerfen? Du bist auch bloß ein dummer Junge wie alle anderen. Du schmachtest mich an, seufzt bei meinem Anblick und beteuerst deine Liebe zu mir, aber wenn die Zeit reif ist, wird mich ein ekelhafter alter Mann zur Frau nehmen, und du würdest nichts dagegen tun, da du ja ein gehorsamer junger Krieger bist!«
Er musste zugeben, dass sie recht hatte. »Denkst du etwa, Gasam wäre anders?«
»Ja! Gasam ist kein Dummkopf. Er wird einst König sein! Und dann sitze ich als seine Hauptfrau neben ihm. Ich werde nicht als fünfte Frau eines alten Kerls enden, der nur eine große Kaggaherde besitzt.«
»Das also hat er dir versprochen! Gasam will König werden? Er, der sich mit dem Ruhm anderer Männer bedeckt und Frauen benutzt, um seinen Feind von einem Tier töten zu lassen?«
Zu seinem Entsetzen schien Larissa belustigt. »Glaubst du etwa, ich mag ihn weniger, weil er nicht tapfer, dafür aber klug ist? Jeder Dummkopf kann mutig sein.«
»Der Langhals hätte auch dich töten können«, gab Hael zu bedenken.
»Nein. Gasam weiß, dass ich schnell laufen kann, und der verkrüppelte Langhals war nicht sehr behände. Außerdem wusste er, dass du dumm genug sein würdest, dich zwischen die Bestie und mich zu stellen.«
»Dumm bin ich in der Tat. Aber du kannst sicher sein, dass mir so etwas nie wieder passieren wird. Einst wird der Tag kommen, an dem du bitterlich bereust, was du heute getan hast. Du wirst dir wünschen, der Langhals hätte dich gefressen, damit du nicht Gasams Königin, seine Frau oder sein Spielzeug werden musst. Er ist schlecht, und alle, die mit ihm zusammen sind, werden zu leiden haben.«
»Das ist nicht wahr!« zischte sie wütend. »Er wird mächtig sein – und ich auch! Aber dann bist du bereits tot oder bestenfalls ein zerlumpter Ausgestoßener, so wie die Buschmänner, die ihr neulich gejagt habt. Alle, die keine Shasinn sind, sind weniger als nichts, und von heute an gilt das auch für dich.«
»Warum sprichst du dann überhaupt mit mir? Warum willst du dich rechtfertigen für deine Tat? Nur um sicherzugehen, dass du dich richtig entschieden hast, indem du Gasam wähltest? Oder drückt dich ein Schuldgefühl, weil du meine Liebe zu dir ausnutztest, mich ins Elend zu treiben?«
Larissa schwieg eine Weile. »Deine Liebe ist wertlos!« fauchte sie schließlich und lief davon.
Am nächsten Morgen befahl man Hael, die Hütte zu verlassen. Fünfzig Krieger standen bereit, ihn zur Grenze zu bringen. Es waren keine Nachtkatzen darunter, die wahrscheinlich in ihrem Lager ob der Schande trauerten. Hael war nicht überrascht, Gasam zu sehen.
»Gehen wir«, befahl ein älterer Krieger. Sie verließen das Dorf. Tata Mal saß mit traurigem Gesicht neben dem Geisterpfahl und winkte Hael zum Abschied zu. Auf einem nahe gelegenen Hügel stand ein junger Mann und schwenkte seinen Speer. Hael winkte zurück. Es war Danats, der – allen Regeln zum Trotz – seinem entehrten Chabas-Fastan einen letzten Gruß zukommen ließ.
Die Gruppe wandte sich nach Osten. Noch ehe die Sonne mehr als zwei Spannen am Horizont emporgestiegen war, hatten sie das Dorf und die Herden weit hinter sich gelassen.
»Das reicht«, erklärte der Anführer. Auf sein Zeichen hin gab man Hael das Schwert und das Bündel mit den Überresten seines Speers zurück. Der Krieger wies nach Osten. »Geh.«
Hael beachtete ihn nicht und schulterte seine Habe. »Gasam«, sagte er laut, »eines Tages kehre ich zurück und töte dich. Wäre mein Speer nicht zerbrochen, würde ich es auf der Stelle tun.«
»Hört nur!« brüllte Gasam. »Dieser ehrlose Ausgestoßene bedroht mich! Tötet ihn!«
Zögernd hoben ein paar Krieger die Speere. Hael starrte sie durchdringend an. Sie zuckten zusammen und senkten die Waffen. »Glaubst du etwa, die da könnten mich töten?« Er wandte sich wieder an Gasam. »Aus dir mag werden, was du willst, sei es nun ein König oder ein armer Irrer. Den Stamm und alle Frauen kannst du dir nehmen. Aber eines wird bleiben: So lange es Shasinn gibt, wird man daran denken, dass es Hael war, der ganz allein einen Langhals tötete. Du wirst immer jemand bleiben, der sich auf Kosten anderer mit Ruhm bedeckt.«
Er drehte sich um und ging davon.
Als Ausgestoßener genoss er keinen Schutz und hatte keine Zukunft mehr. Gestern noch hatte sein Leben klar vor ihm gelegen. Einige Jahre lang hätte er zu den jungen Kriegern gehört, dann zu den Erwachsenen und, falls er lange genug lebte, zu den Ältesten. Irgendwo in der
Weitere Kostenlose Bücher