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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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ertönte der Schrei einer unglückseligen Kreatur, die zur Mahlzeit für ein anderes Wesen wurde.
    »Lass mich nachdenken«, sagte Larissa plötzlich. »Da drüben, ja, da ist es, bei dem Baum mit den roten Blumen davor und dem abgebrochenen Ast. Ganz in der Nähe wächst Blaukraut.«
    »Warst du schon einmal hier?« erkundigte sich Hael.
    »Was?« Erschrocken blickte sie ihn an. »Nein, man hat es mir nur beschrieben. Komm mit.« Sie setzte sich in Bewegung, und Hael fragte sich, ob sie krank sei. Zuerst war sie schlecht gelaunt und wortkarg gewesen, dann unsicher und nun, das merkte er an der Art, wie sie mit kleinen, hastigen Schritten und steifem Rücken ging, hatte sie Angst. Aber wovor?
    Als sie sich dem Baum näherten, fiel ihm auf, dass der Boden wie von vielen Tieren zertrampelt war. Zu sehen war jedoch keines.
    »Ich glaube, diese Stelle ist ungeeignet, Larissa«, sagte er und umklammerte den Speer fester. »Diese Spuren hier gefallen mir gar nicht. Lass uns woandershin gehen.«
    »Nein, hier sind wir genau richtig«, beharrte das Mädchen ein wenig atemlos. Langsam watete sie ein Stück weit ins Wasser und planschte darin herum. Hael war kein Kenner von Kräutern, aber er wusste, wie Blaukraut aussah, und hier wuchs weit und breit keines.
    »Larissa, ich sehe kein …« Ein ohrenbetäubendes Gebrüll aus dem Unterholz ließ ihn verstummen. Das Dickicht teilte sich, Blätter, Äste, Wurzeln und Schlamm flogen in alle Richtungen, als sei ein Vulkan ausgebrochen. Über ihnen ragte eine halb im Sumpf versunkene, entsetzliche Gestalt drohend auf. Larissa schlug sich mit der Hand auf den Mund, schrie laut auf und wich stolpernd zurück.
    »Langhals!« brüllte Hael. Er wollte fortlaufen, konnte sich aber nicht rühren. Stattdessen fand er sich plötzlich auf dem Weg nach vorn wieder, um sich zwischen Larissa und das Monstrum zu werfen.
    Mit lautem Platschen stemmte das Wesen beide Vorderbeine auf den festen Boden und bemühte sich, auch das Hinterteil aus dem Schlamm zu ziehen. Schreiend sprang Larissa zur Seite, aber der Langhals beachtete sie überhaupt nicht. Er ließ Hael nicht aus den Augen. Der Junge wusste, dass Tiere keine menschlichen Gefühle haben, aber in den Augen dieses Wesens stand ein so deutlicher Hass, wie er kaum je zuvor einen gesehen hatte.
    Es kam ihm vor, als sei die Zeit plötzlich stehen geblieben und das Tier ziehe sich unendlich langsam aus dem Sumpf empor. Dabei wusste er, dass sich alles ungeheuer schnell abspielte. Tropfend von Schlamm, brüllend und fauchend erhob sich das Ungeheuer. Hael erblickte den abgemagerten Körper, zahlreiche verheilte, etliche noch schwärende Wunden und eiternde Stellen. Manche dieser Verletzungen hatte er dem Tier beigebracht: Es war der gleiche Langhals, der sie während des Kälberfestes angegriffen hatte, das inzwischen schon ewig lange zurückzuliegen schien.
    Das Tier sprang vor, und er konnte nur ausweichen, weil es ein verkrüppeltes Vorderbein hatte. Immer noch schienen Sekunden zu Stunden zu werden, und ein paar Mal entkam er nur knapp dem Tod. Es war, als tanze er einen tödlichen Tanz mit dem Ungeheuer. Immer wieder stieß der Junge mit dem Speer zu, konnte aber die ledrige Haut nicht tief genug durchdringen. Eine heftige Kopfbewegung des Langhalses brachte ihn ins Stolpern, und um ein Haar hätte er die Waffe fallen lassen.
    Während er um sein und um Larissas Leben kämpfte, konnte er nicht umhin, die Kreatur zu bewundern. Hier handelte es sich um ein Lebewesen mit mächtiger Magie, und es hatte nichts vergessen. Es hatte im Sumpf unweit des alten Dorfes gelauert, während seine Wunden heilten. Dann, als die Shasinn auf die Reise gingen, war es ihnen gefolgt und bei Nacht nach Süden gezogen, von Sumpf zu Sumpf, um sich irgendwann an den Menschen zu rächen. Wie musste es gelitten und gehasst haben!
    Aber ganz plötzlich begriff Hael die Zusammenhänge.
    Deshalb also war Gasam in die Sümpfe gelaufen, um mit seinem ›Geist‹ zu reden. Er behielt den Langhals im Auge und sorgte dafür, dass er den Shasinn auf der Spur blieb. Deshalb wusste Gasam, wo sich das Wesen aufhielt. Und nun hatte er Hael in die Falle gelockt, Hael, den dummen Burschen, der … Larissa ! Sie hatte ihn für Gasam hierhergelockt!
    Dann blieb ihm keine Zeit mehr für weitere Gedanken. Die Bestie kam näher, wich dem Speer aus und versuchte, ihn zu erreichen. Sie warf den Kopf zurück, bäumte sich auf und stieß mit weit geöffnetem Rachen vor. Bei jedem Angriff verlor

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