Der Insulaner
ist geschehen?« fragte Malk.
»Nun, wir marschierten entlang des Kol, der im Süden in den großen See mündet. An der Stelle stehen mächtige Ruinen der Bauwerke, die in alter Zeit von Riesen errichtet wurden. Dort trafen wir auf die Zonenarmee, die bereits Aufstellung genommen hatte. Sie waren deutlich in der Minderheit, und wir rechneten mit einem leichten Sieg. Unser General ritt uns auf seinem Cabo mit den vergoldeten Hörnern voraus und rief den Feinden zu, sie sollten sich ergeben und ihr König möge vortreten, um seinen Tribut zu entrichten. Ihr König erschien auch, aber nicht, um Tribut zu leisten. Er ritt einen Buckler – das sind die Biester, die in der Wüste tagelang ohne Wasser auskommen können –, trug die Krone auf dem Kopf, war in prächtige Roben und Schleier gehüllt und rief uns etwas zu.
Ehe wir uns versahen, eilte ein zerlumpter Gnom herbei, klapperte mit Knochen und Ketten, begann zu tanzen und zu singen und fuchtelte mit den Händen. Uns überlief es kalt. Am eigenartigsten war seine Hautfarbe: blau! Meine Kameraden behaupteten, das sei keine Bemalung, denn es gäbe Menschen flussabwärts und in den Schluchten im Westen, die blaue Haut besäßen und über mächtige Zauber verfügten. Nun, dieser Bursche war blau und kannte starke Zaubersprüche. Nachdem er den Tanz beendet hatte, spuckte er aus, fluchte, drohte mit der Faust, schleuderte Steine in unsere Richtung und kreischte eine Art Fluch. Dabei wies er mit dem Finger auf unseren General.«
»Und was hat der daraufhin getan?« erkundigte sich Malk mit erhobenen Augenbrauen. »Tja, er fiel mausetot aus dem Sattel! So war das! Ich kann euch sagen, es nahm uns den Mut, und an dem Tag kam es nicht zum Kampf. Wir warteten ab, während die Anführer beider Armeen verhandelten, aber schließlich machten wir kehrt und marschierten nach Neva zurück. Und wenn das keine Zauberei war, dann weiß ich’s auch nicht!«
Malk kratzte sich den buschigen schwarzen Bart. »Gut möglich. Ich hörte auch schon oft, dass die mächtigsten Zauberer in der Zone leben, und am geschicktesten sollen die Schluchtbewohner sein, aber es könnte auch eine andere Erklärung geben. Ich habe schon häufig falsche Magie und Zauberei gesehen. Ein Mann mit einem Blasrohr hätte sich in den Felsen verbergen und den General mit einem vergifteten Pfeil treffen können. Natürlich hätten alle an Zauberei geglaubt, dafür hat der Auftritt des blauen Gnoms gesorgt.«
»Vielleicht«, meinte Kristofo zögernd. »Meiner Meinung nach aber sah es aus wie …«
»Sturm zieht auf!« unterbrach sie der Ruf des Ausgucks. Malk lief ans Heck des Schiffes.
»Ich ahnte, dass unser Glück nicht von Dauer ist!« rief er. »Diesmal steht uns schlimmes bevor.« Hastig erteilte er Befehle, und sofort wurde die Rahe eingeholt und das Segel fest daran verschnürt. Sämtliche unbefestigten Gegenstände wurden verstaut oder festgebunden, und zusätzliche Männer ans Ruder beordert und zum Wasserschöpfen eingeteilt.
Gerade, als alle Vorbereitungen getroffen worden waren, schlug der Sturm zu.
Hael erlebte zum ersten Mal einen Sturm auf See, und es erschreckte ihn zutiefst. Das Schiff tanzte wie ein Blatt auf den Wellen auf und ab, und das Geheul des Windes war ohrenbetäubend. Fortwährend zuckten grelle Blitze auf, und es schien unmöglich, dass die Wellenfresser ihnen ausweichen konnte. Regen prasselte wie ein dichter Vorhang herab, und Hael wäre zweimal beinahe über Bord gespült worden, ehe ein vorübereilender Matrose ihm ein Seil zuwarf und ihm zu verstehen gab, sich damit zu sichern. Hael knotete sich das Seil um den Leib und band das andere Ende an die Rettungsleine, die entlang der gesamten Bordwand verlief. Auf diese Weise blieb er beweglich und konnte mithelfen, die Ruderpinne festzuhalten oder, falls erforderlich, zu verschieben.
Mehrmals kam es dem verängstigten Jungen so vor, als tauche nicht nur der Bug, sondern der ganze Schiffsrumpf unter Wasser. Aber jedes Mal kamen sie wieder an die Oberfläche. Bestimmt wird der hölzerne Rumpf nicht länger standhalten, dachte er verzweifelt. Der Geist der Wellenfresser, der sich an der breitesten Stelle des Kiels verbarg, wo der Mast stand, erwies sich jedoch als stärker, als er es je für möglich gehalten hätte, denn sowohl das Schiff als auch Hael erlitten durch den Sturm kaum Schaden.
Am folgenden Morgen segelten sie unter einem blauen Himmel dahin, und nur die leicht gekräuselte Wasseroberfläche und ein paar lecke
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