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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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an Land, und dann werde ich dir vielleicht beibringen, was Bier ist.«
    Hael gab sich zufrieden und wurde von Vorfreude ergriffen. Inzwischen sah er ganz anders aus als der junge Shasinnkrieger, der an Bord der Wellenfresser gegangen war. Die Körperbemalung war verschwunden, und das blonde Haar fiel ihm offen bis auf die Schultern. Die unzähligen kleinen Zöpfe hatte er gelöst, da er kein Shasinn mehr war und es ihm Schwierigkeiten bereitete, sich ganz allein hunderte winziger Zöpfe zu flechten. Daheim verbrachten die jungen Männer Stunden damit, einander die Haare zu flechten, die Gesichtsbemalung anzubringen oder andere Dinge zu erledigen, die zum Aussehen eines stolzen Kriegers gehörten.
    Hael wunderte sich über eine bestimmte Sache innerhalb dieser so genannten ›Zivilisation‹ ganz besonders. Obwohl die Stadtbewohner Armeen aufstellten und Kriege ausfochten, waren die Kämpfer jedoch keine wahren Krieger, sondern wurden ›Soldaten‹ genannt, die sich völlig anders kleideten und gaben, als es die Shasinnkrieger für unerlässlich hielten.
    Das erstaunte ihn, denn immer, wenn er sich darüber Gedanken gemacht hatte, wie er auf dem Festland seinen Lebensunterhalt bestreiten sollte, war er davon ausgegangen, einfach nur dem Kriegerhandwerk nachgehen zu können. Jetzt erschien ihm die Sache längst nicht mehr so einfach. Von einem Soldaten wurden bestimmte Fähigkeiten erwartet, und es gab weder eine einheitliche Waffenart noch Stammeszugehörigkeit. Die Kampffähigkeit war nur ein Teil der Pflichten eines Soldaten. Darüber musste er noch eingehend nachdenken; ganz besonders über das, was ihm Kristofo erzählt hatte: Soldaten waren keine ranghohen Männer, jedenfalls nicht die, die in den Kampf zogen. Je höher der Rang und das Ansehen eines Soldaten waren, umso weniger nahm er an der eigentlichen Schlacht teil.
    Dagegen hörte sich das Gerede über Expeditionen und Forscher viel reizvoller an. Ein Mann, der ein geschickter Krieger war, sich in vielen Gebieten und unterschiedlichstem Klima heimisch fühlte und zahlreiche Tierarten kannte, würde sicherlich keinerlei Schwierigkeiten haben, Mitglied einer Expedition zu werden. Wenn er die Seefahrt aufgab, würde er auf diese Weise sein Glück versuchen. Aber vorläufig wollte er der Wellenfresser noch eine Weile treu bleiben.
    Nachdem das Schiff am Pier vertäut worden war, ging die Besatzung von Bord. Es war bereits zu spät, um noch mit dem Entladen zu beginnen. Außerdem gehörte das zu den Pflichten der Hafenarbeiter. Gewaschen, in ihren besten Kleidungsstücken und teilweise sogar mit Duftwasser besprüht, gingen die Seeleute mit wiegenden Schritten an Land.
    Die meisten steuerten sofort auf die nächste Taverne oder das Hafenbordell zu, aber Hael war begierig, einen der großen Tempel zu betreten. Bei den Stadtbewohnern, insbesondere bei den Frauen, erregte er einiges Aufsehen. Zwar hatte er ein paar der für sein Volk charakteristischen Äußerlichkeiten abgelegt, aber die Festlandbewohner waren nicht daran gewöhnt, einen so hochgewachsenen jungen Mann zu sehen, der nur spärlich mit dem Fell einer Nachtkatze bekleidet war und ein Langschwert und einen Speer trug. Außerdem gab es selten so gutaussehende Jünglinge, die sich dieser Tatsache gleichzeitig bewusst und dennoch nicht überheblich zu sein schienen.
    Man rief ihm zahlreiche einladende Bemerkungen zu, die er so höflich wie möglich zurückwies. Hael stieg den Hügel zu den Tempeln empor. Die rauen Pflastersteine fühlten sich unter seinen bloßen Füßen seltsam an. Auch die Tatsache, dass sein Weg zu beiden Seiten von Gebäuden gesäumt wurde, erschien ihm eigenartig. Aber nachdem er seine gewohnte Umgebung gegen das Leben an Bord eines Schiffes eingetauscht hatte, kam ihm jeder weitere Szenenwechsel vergleichsweise harmlos vor.
    Nach wenigen Minuten hatte Malk ihn eingeholt.
    »Du verschwendest auch nicht eine Sekunde, Junge«, keuchte er. »Ich nehme an, du wanderst zum Tempelbezirk.«
    »Stimmt. Warum laufen so viele Menschen herum? Ist das immer so?«
    »Die Märkte schließen um diese Zeit, und die Leute sind auf dem Heimweg. Fühlst du dich durch die Menschenmenge eingeengt?«
    Hael zuckte die Achseln. »Es ist nicht schlimmer, als sich durch eine Kaggaherde zu drängen.« In der Tat war der Vergleich durchaus angebracht, denn Hael überragte die zahlreichen Leute ringsumher um einen ganzen Kopf. Die Stadtbewohner waren in farbenfrohe Gewänder gekleidet, und etliche Frauen trugen

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