Der Insulaner
schmecken lassen und etwas erleben.«
KAPITEL SIEBEN
Z wei Tage später setzten sie ihre Reise gen Süden fort. Anfangs verspürte Hael dank des reichhaltigen Essens und des Weingenusses Übelkeit, obgleich seine Ausschweifungen – verglichen mit denen der Matrosen – harmlos gewesen waren. Seine Gefährten machten sich einen Spaß daraus, über Haels Genügsamkeit herzuziehen, aber nachdem einer von ihnen den Jungen zu einem Ringkampf herausgefordert hatte, hatte der Spott sofort ein Ende. Beinahe mühelos besiegte Hael einen Matrosen nach dem anderen, und viele zogen sich schmerzhafte Prellungen zu. Danach ließen sie ihn essen und trinken was er wollte, ohne je wieder eine dumme Bemerkung darüber zu machen.
Die zweiwöchige Fahrt nach Kasin, der riesigen Hafenstadt, die gleichzeitig die Hauptstadt des Königreiches Neva war, bildete den Abschluss der Reise. Dieser legendäre Ort lag eingebettet in das fruchtbare Grünland der Südküste, das für seinen reichen Wildbestand und seine landwirtschaftlichen Erträge bekannt war.
Mit jedem Tag, an dem sich die Wellenfresser nach Süden begab, wurde der Küstenstreifen, der selten außer Sichtweite geriet, immer grüner. An manchen Abenden, wenn das Schiff in einem winzigen Hafen vor Anker ging, drangen die Laute des Dschungels zu den Matrosen herüber: endloses Gebrüll, Kreischen, Krächzen und Brummen. Nur zu gern hätte Hael die fremde Welt mitsamt ihren Geheimnissen erkundet, aber er wusste, dass ihm später noch genug Zeit bleiben würde, die neue Umgebung kennen zu lernen.
Endlich umschifften sie das Kap der Wracks, einen aufziehenden Sturm hinter sich, und segelten in die schützenden Gefilde des Flusses Shonga. Als sie den Leuchtturm von Perwin passierten, konnte Hael kaum glauben, dass dieses Gebäude, das als größtes Bauwerk der Welt galt, von Menschenhand errichtet worden war. Die kahlen Mauern bestanden aus weißen Steinen, und an den Seiten führten Treppenstufen bis zu dem riesigen Feuerkorb hoch auf die Spitze des Turmes. Die ganze Nacht hindurch schleppten unzählige Sklaven Holz und Faustnüsse hinauf, um das Feuer in Gang zu halten. Tagsüber stieg von der Asche eine dünne Rauchfahne zum Himmel empor.
In der Nähe des Leuchtturmes warteten sie auf die Flut, die sie flussaufwärts tragen sollte. Sobald die Wellen heftiger wurden, legte man die Ruder aus und fuhr in schneller Fahrt am Kriegshafen vorbei. Hier lagen die Kriegsschiffe in dem kreisrunden Becken, das von überdachten Docks eingerahmt wurde, sicher geschützt vor Unwettern – und warteten auf den nächsten Einsatz.
Gerade, als die Wellenfresser den Hafen von Kasin erreichte, brach der Sturm über sie herein. Der Regen peitschte die Wasseroberfläche, aber der Wind hielt sich in der geschützten Bucht in Grenzen. Hael war froh, dass sie dem Sturm entronnen waren und enttäuscht, dass ihm der erste Blick auf die berühmte Stadt verwehrt blieb. Sie gingen vor Anker, ließen die Rahe herab und holten das Segel ein. Dann hoben sie den Mast mit gebührender Vorsicht aus der Verankerung und legten ihn auf die dafür vorgesehenen Stützen. Nachdem er sicher festgezurrt worden war, breiteten die Männer das Segel darüber aus und krochen unter diesem zeltähnlichen Schutzdach zusammen. Der Koch hatte in einer mit Erde gefüllten Kiste ein kleines Feuer entfacht, und während er eine schlichte Mahlzeit zubereitete, ließen die Matrosen einen Schlauch mit Wein herumgehen. Alle waren erschöpft, aber dennoch fröhlich, da die Arbeit hinter ihnen lag, sie sich im geschützten Heimathafen befanden und die Auszahlung der Heuer bevorstand. Innerhalb weniger Minuten holte man die Würfel hervor und das erwartete Geld wechselte häufig den Besitzer, ehe dieser es in Händen hielt.
Hael brannte darauf, die Hauptstadt kennen zu lernen und war enttäuscht, wegen des schlechten Wetters noch warten zu müssen. »Wie lange dauert es, bis ihr wieder in See stecht?« fragte er Malk.
»Vier Monate lang wird niemand segeln. Danach werden sich die wagemutigeren Kapitäne aufmachen und die Gefahr, in einen der letzten Stürme zu geraten, auf sich nehmen, um als erste die Handelshäfen anlaufen zu können. Wer die Reise übersteht, erzielt die besten Preise, und das gleiche gilt auch für seine Rückkehr. Gegen Ende des fünften Monats liegt kein Schiff mehr im Hafen.«
»Und was ist mit dir?«
»Das wird sich später entscheiden. Ich muss mich mit den Besitzern beraten. Manche von ihnen sind
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