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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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unter der Statue des Kriegsgottes wieder, der größten Figur von vielen, die auf der Allmende standen. Etliche Statuen waren bereits alt und verwittert, andere wenig mehr als Bruchstücke, die von den Erdbeben lange vergangener Zeit zeugten. Auf dem Platz drängten sich Menschen aller Nationen in ihren farbenprächtigen Gewändern.
    Hael erblickte die hochgewachsenen, hageren Männer aus der Wüste mit ihren an einen Habicht erinnernden Gesichtern, die sich winzige Glöckchen in die Bärte geflochten hatten und seltsame Tiere mit sich führten, die Buckler genannt wurden. Er sah die kräftigen, untersetzten Bewohner des südlichen Dschungels mit ihren bunten Federn im Haar. Von Zeit zu Zeit erhaschte er auch einen Blick auf die Sklaven, die wenig mehr als einen Lendenschurz und breite Halsbänder aus Kupfer trugen.
    Die Frauen, die er zu Gesicht bekam, waren zum größten Teil Einheimische, von denen die wohlhabenderen kunstvoll bestickte Kleider und Röcke trugen. Diese Gewänder waren höchst unpraktisch und zeigten ganz offen, dass die Trägerin nicht nötig hatte zu arbeiten. Die modebewussten Damen trugen auch Schleier, um ihre Gesichtshaut zu schützen und wurden von Sklaven mit Sonnenschirmen und Fächern begleitet. Wenn sie einer Bekannten begegneten, tauschten sie umständliche Höflichkeitsfloskeln aus, die in Haels Ohren völlig bedeutungslos klangen.
    Nach einer Weile kam er zu einem Stand, an dem ein Mann saß, der eine Tunika aus rostrotem, festem Tuch trug. An seinem Gürtel hing ein Kurzschwert. Die ledernen Beinschienen waren mit Kupfernieten verziert, und neben ihm lag ein feuerrot lackierter Brustharnisch aus ineinander verschlungenen beinernen Schienen. Auf dem Tisch des Standes ruhte ein Helm aus gehärtetem Leder, von dessen Spitze ein langer weißer Kaggaschwanz herabbaumelte. Neugierig betrachtete er den gutgewachsenen jungen Mann, sein Schwert und den Speer.
    »Du siehst wirklich gut aus«, sagte er mit einem ebenso breiten wie falschen Grinsen. »Ein Krieger von den Inseln, stimmt’s? Für Leute deines Schlages gibt es hier in Kasin nicht gerade viel zu tun, aber ich wüsste was für dich. Die königliche Armee sucht stramme Burschen, die Lust auf ein Abenteuer, auf aufregende Reisen, das Blut eines Feindes an ihrer Klinge, fette Beute und so viele Frauen, wie sie nur wollen, haben. Hört sich gut an, was?«
    Das ganze Gebaren des Mannes erinnerte Hael viel zu sehr an Gasam. »Gehen dir so früh am morgen viele Rekruten auf den Leim?« fragte er. »Jetzt sind die meisten doch noch nüchtern!«
    Der Anwerber verzog grimmig das Gesicht. »Nein, aber Pflicht ist schließlich Pflicht. Du bist gerade erst angekommen, stimmt’s? Komm in ein paar Tagen wieder. Dann bist du hungrig und hast herausgefunden, dass es in einer zivilisierten Stadt wenig Arbeit für einen Barbaren gibt. Da wird dir der Gedanke an die Armee schon besser gefallen.«
    Hael blieb am Fuß der riesigen Statue des Kriegsgottes stehen und stützte sich auf seinen Speer. Ohne es zu merken, nahm er dabei die Storchenstellung ein, und ein paar Kinder begannen zu lachen und wiesen mit den Fingern auf ihn. Er beachtete sie nicht und dachte, dass Städter ihren Kindern anscheinend keine guten Manieren beibrachten. Hael stand vollkommen ruhig da und bewegte nur den Kopf, um sich nichts entgehen zu lassen. Eine Kakophonie von Geräuschen umgab ihn: verschiedene Sprachen, Tierstimmen, Rufe der Händler und sogar weit entfernte Musik. Auch die Gerüche unterschieden sich stark voneinander: Es roch nach Gewürzen, nach gekochten Speisen, nach Tieren und ihm unbekannten unangenehmen Dingen; und über allem lag der Duft von Weihrauch, der aus den Tempeln drang.
    Allmählich baute sich am westlichen Horizont eine hohe graue Wolkenwand auf, die einen Sturm verhieß, noch ehe der Tag sich dem Ende zuneigte. Hin und wieder verspürte Hael die Anwesenheit von Geistern, aber nur sehr schwach. Anscheinend unterdrückte die ungeheure Ansammlung von Menschen andere, übersinnliche Strömungen. Hael vermutete, dass Städte, da sie von Menschenhand errichtet wurden, wenig Platz für Geister boten, sondern nur für Menschen und ihre selbst geschaffenen Götter.
    Ungewöhnliche Laute ließen ihn den Kopf wenden. Eine Prozession bewegte sich langsam entlang der Straße, die auch Hael benutzt hatte, auf die Allmende zu. Eine Melodie hatte seine Aufmerksamkeit erregt, obwohl es sich um eine ihm völlig fremde Art von Musik handelte. An der Spitze der

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