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Der Insulaner

Der Insulaner

Titel: Der Insulaner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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die Saiten einer Harfe zupfte. Um die Hüfte trug sie eine Kette mit großen Perlen, kostbare Goldketten und mit Juwelen besetzte Reifen schmückten ihren Hals, die Arme und Fußknöchel. Davon abgesehen war sie nackt, und das schwere Kupferhalsband verriet, dass es sich um eine Sklavin handelte. Ihre milchigweiße Haut, die sich deutlich von dem pechschwarzen Haar abhob, erstaunte Hael, und er fragte sich, aus welchem fremden Land sie wohl stammen mochte. Aus dem Inneren des Raumes vernahm er gedämpftes Stimmengemurmel, konnte die Sprechenden aber nicht sehen. Langsam zog er sich wieder zurück, um niemanden zu stören. Die Frau beobachtete ihn aus kühlen grauen Augen und zupfte weiterhin gedankenverloren an den Saiten, als würde sie von einem fremden Willen beherrscht.
    Hael kehrte in sein Zimmer zurück und machte sich mit den Räumlichkeiten vertraut. Das Bad stellte sich als ein kleiner, mit wunderschönen Fliesen ausgestatteter Raum heraus, in dessen Boden ein Becken eingelassen worden war. Eine unsichtbare Strömung bewegte das duftende Wasser träge im Kreis herum. Das musste er unbedingt ausprobieren. Schnell legte er die Waffen beiseite, warf seine spärliche Bekleidung ab und stieg die wenigen Stufen in das Becken hinab. Hael konnte sich vor Staunen kaum beruhigen, denn er hatte nie zuvor in warmem Wasser gebadet. Es fühlte sich unbeschreiblich sinnlich an und wurde noch verstärkt durch den Geruch des duftenden Öls, das wie ein durchsichtiger Schleier auf der Wasseroberfläche trieb. In den Wänden des Beckens befanden sich versteckte Düsen, die für die leichte Strömung sorgten. Hael beschlich das Gefühl, sich ohne weiteres an derartige Annehmlichkeiten des Lebens gewöhnen zu können.
    Als er nach dem Bad wieder in sein Zimmer zurückkehrte, fand er den Tisch mit einem reichhaltigen Angebot an Brot, Früchten, kaltem Bratenfleisch und einem Krug mit gekühltem Wein gedeckt. Trotz seines Heißhungers aß er langsam und bedächtig, wie es seine Gewohnheit war. Er überlegte, was die Menschen hier sagen würden, wenn man ihnen eine Schale mit Milch und Blut vorsetzt. Wahrscheinlich ekelten sie sich, obwohl er das nicht nachvollziehen konnte. Der erlesene Geschmack der Speisen überraschte ihn. Das Fleisch war mit Honig überzogen, und das Brot mit winzigen Samenkörnern und Safran durchsetzt, von dem ihm Malk erzählt hatte, dass er in Neva zu den beliebtesten Gewürzen gehörte.
    Nachdem er seinen Hunger gestillt hatte, blieben Hael noch etliche Stunden“ bis zum Abendessen und der Erkenntnis, was die Zukunft möglicherweise für ihn bereithielt. Der Sklave hatte gesagt, er könne sich frei im Palast bewegen. Also beschloss er, seine Umgebung zu erkunden, da er sich nun für eine Weile hier und nicht in der Stadt aufhalten würde.
    Auf die Dauer langweilten ihn die kostbare Ausstattung und die Malereien, auf die er in allen Räumen stieß, und er fragte sich, ob es wohl auch noch andere Dinge zu sehen gab. Lautlos gingen die Sklaven ihren Pflichten nach, während die freien Diener mit überheblichen Mienen umherwanderten und den Jungen nicht beachteten. Das Wandbild einer Truppe berittener Männer erinnerte Hael an seine Neugierde auf diese Art der Fortbewegung, und er erkundigte sich bei einem Wächter, ob es im Palast Reittiere gab. Der Mann erklärte ihm, wie er zu einem Ort gelangen konnte, der ›Ställe‹ hieß, und Hael verließ das Gebäude. Er betrat eine Terrasse auf der Rückseite des Palastes und sah, dass das Grundstück bis beinahe an die Stadtmauer reichte. Von der Terrasse aus führten Stufen einen mit Obstbäumen bepflanzten Hang hinab, und am Fuß der Treppe begann eine riesige Weide, die fast bis zur Stadtmauer reichte. Seitlich standen ein paar niedrige Gebäude und Pferche, und aus dieser Richtung drangen der Geruch und die Laute von Tieren zu ihm herüber.
    Es tat gut, wieder einmal weichen Erdboden unter den Füßen zu spüren, und Hael kostete das Gefühl aus, während er zum Zaun der Weide lief. In einem nahe gelegenen Pferch standen einige Männer neben einem in die Erde gerammten Pfosten. Sie trugen nichts als kurze Hosen aus Leder, aber keiner von ihnen hatte den Sklavenring um den Hals. Alle hatten kurzgeschorene Haare, waren staubbedeckt und wirkten sehr beschäftigt. Neben ihnen lagen etliche Lederriemen und Decken auf dem Boden. Ein Ruf ertönte, und zwei Männer führten ein Tier aus einem Gebäude heraus.
    Bei diesem Anblick rang Hael nach Luft. Zahlreiche

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